Ansprache zur Statio von P. Dr. Adalbert Kordas ofm Conv

P. Franz Reinisch – Narr um Christi willen, Märtyrer oder Spinner?

Statio in Gedenken an P. Franz Reinisch SAC am 21. August 2015 - Foto: Pascal Nachtsheim

P. Adalbert Kordas OFM Conv

Reinisch-Todesgedenkfeier

Statio am Grab

21. August 2015

20.15-21.00 Uhr

 

Pater Franz Reinisch – Narr um Christi willen, Märtyrer oder Spinner?

 

Es sind bereits 73 Jahre nach der Enthauptung des Dieners Gottes Pater Franz Reinisch vergangen. Wie jedes Jahr versammeln wir uns auch heute Abend an der Ruhestätte neben der Gnadenkappelle im Tal Schönstatt und gedenken des Todes von Pater Franz Reinisch. Er starb für ein besseres christliches Vaterland. Wir schauen vor allem auf das unerschütterliche Glaubenszeugnis dieses Österreichers und Tirolers, Priesters und Pallottiners, Seelsorgers und Schönstätters, Opfers des nationalsozialistischen Machtmissbrauchs und Märtyrers der Gewissenstreue.

 

Er ist im katholischen Glauben erzogen worden. Pater Franz Reinisch ist ein Sonntagskind, was seine tiefgläubigen Eltern – Maria geb. Huber und Franz Reinisch – für einen Glückssegen halten. Auf dem Sterbebildchen, das seine Mutter in Innsbruck drucken lässt, steht geschrieben: „Er starb am 21. August 1942, 5 Uhr früh für ein besseres christliches Vaterland im Alter von 39 Jahren.“ Herr Helmut Reichart, Neffe von Pater Franz Reinisch, weist mit Bewunderung darauf hin, dass uns das Glaubenszeugnis von seinem Onkel eine noch wenig bekannte Seite christlichen Widerstands veranschaulicht: Ein Einzelner gegen die Massen, ein katholischer Priester bietet einem Vernichtungs-System die Stirn. In der Stadt Innsbruck gedenken die Menschen dieses mutigen Tirolers an vielen öffentlichen Orten. Worin besteht seine Besonderheit?

 

Die Aussage des hl. Paulus aus dem ersten Korintherbrief, Kapitel 4, Vers 10: „Wir stehen als Narren um Christi willen.“ verweise beim Gedenken des Todes von Pater Franz Reinisch auf sein geistliches Vermächtnis: Es muss immer Menschen geben, die sich den politischen und gesellschaftlichen Konventionen verweigern, wenn sie zum Autoritäts- und Machtmissbrauch führen und schließlich Gott verleugnen. Unterstützt ist diese seine Überzeugung durch die Apostelgeschichte, Kapitel 5, Vers 29: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“

 

Er fühlt sich zur Freiheit berufen. „Ich fühle mich zum Protest gegen den Missbrauch der Autorität berufen.“ „Die NS-Regierung ist keine gottgewollte Autorität.“ „Die nihilistische Regierung des Führers hat ihre Macht durch Gewalt, Lug und Trug errungen.“ Diese spezifische Ausdrucksweise von Pater Franz Reinisch (Lug, Trug, Gewalt und Macht) erinnert an Ps 62, Vers 10, 11 und 12 zurück. Es ist ein Psalm, mit dem der Beter sein Vertrauen auf Gott setzt und sich von den verlogenen und gewaltigen Menschen distanziert. Da bekennt Pater Franz Reinisch, dass er die wahre Macht Gottes und nicht die der Frevler anerkennt. Wo Gewalt vor Recht geht, reagiert Pater Franz Reinisch mit entschiedener Notwehrstellung und öffentlichem Protest. Die Berufung zu diesem Protest ist die Berufung zur prophetischen Freiheit in Christus.

 

Pater Franz Reinisch fühlt sich zum Widerstand wie ein christlicher Prophet berufen. Vor der antichristlichen Regierung Adolf Hitlers steht er als Narr um Christi willen da. Wie der hl. Franziskus von Assisi in seiner umbrischen Einfalt der Brüderlichkeit, allen Armen und Ausgestoßenen fratello – und deshalb ein Narr in Christo – ist, oder wie der hl. Maximilian Maria Kolbe in seiner franziskanischen Einfalt des missionarischen Einsatzes für die Kirche als Ritter der Immaculata zunächst gegen die Freimaurerei und später gegen die Schergen in Auschwitz vorgeht, so setzt sich Pater Franz Reinisch in seiner tirolerischen Einfalt der Katholizität und in seiner schönstättischen Einfalt der Freiheit schutz- und hilflos, aber überzeugt und zielstrebig der Verachtung des NS-Regimes aus und verteidigt bis zum letzten Atemzug die Menschenwürde und sein Vaterland.

Er lebt und handelt nach seinem Gewissen. „Ich sehe mich im Gewissen verpflichtet – gedrängt und gezwungen – gegen den Nationalsozialismus in der Heimat zu kämpfen.“ Diese Aussage gehört in Bad Kissingen zu den programmatischen Äußerungen von Pater Franz Reinisch. Das Gewissen vergleicht er mit einer Warnungstafel, auf der zu lesen ist: Das Betreten dieses Weges ist verboten. Darüber spricht er in einer Nachmittagsansprache für Stände in Appenweier (Baden-Württemberg) am 2. April 1933. Bis dahin beschäftigt er sich öfter in seinen Predigten mit der Frage nach der Gewissensautonomie. In einer Predigt vom 11. August 1932 im Zuchthaus Bruchsal (Baden-Württemberg) beantwortet er die Frage, ob es eine Staatsgewalt gibt, die von uns Gehorsam verlangen kann.

 

In Bezug auf die biblische Weisung: „Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt.“ (Röm 13, 1) erklärt er, dass eine Staatsgewalt nur dann von Gott sein kann, wenn sie den Menschen in gottgewollter Weise diene. Nicht anders denken seine Eltern. Er ist allen in Dunkelheit und Finsternis Tappenden Liebesflamme und Fackel. Am 27. Juli 1942 notiert er im Gefängnis: „Ich will Liebesflamme, hochlodernder Liebesbrand sein. Nur so kann ich mich danach sehnen, aufgelöst zu werden und mich gleich einer Opferkerze zu verzehren als Liebesopfer zur unendlichen Verherrlichung Gottes.“ Dass Pater Franz Reinisch seinen Peinigern absonderlich vorkommt, überrascht nicht. Dass sie in ihm einen mutigen Mahner Gottes haben, provoziert sie noch mehr zu Aggression und Hass gegen ihn. Jede seiner Antworten rüttelt an ihrem Unglauben und lässt sie ihre Barbarei spüren. Die Berufung des prophetischen Narren scheint bestens erfüllt zu sein.

 

Der Narr in Christus verleugnet Gott in seiner gelebten Redlichkeit nicht. Und Gott liebt ihn für seine Geradlinigkeit. Denn er dient Gott mit seinem klaren Nein zum Götzen. So löst er die evangelische Forderung ein: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein.“ (Mt 5, 37) Mit der klaren Absage an das Böse bezeugt er  seinen Glauben offen und öffentlich. Und dann lässt er sich um der Torheit der Nachfolge Christi verspotten und enthaupten. Er sucht sich diesen grausamen Tod nicht aus. Er willigt ihn jedoch ein, als es ihm klar wird, dass ein Ausweichmanöver nur Feigheit und Gotteslästerung bedeutete. Er schaut auf das  Kreuzesopfer Christi. Schließlich bewirkt er, dass die Unwahrheit und Ungerechtigkeit seiner Gegner ans Tageslicht kommen und der Welt noch besser bekannt werden. Er erhofft sich für sein Opfer die ewige Herrlichkeit im Sinn der Seligpreisungen vom Matthäusevangelium, Kapitel 5, Vers 3-12.

 

Pater Franz Reinisch verkörpert den biblischen Narren um Christi willen, weil er sich für das Kreuz Jesu Christi und gegen das Hakenkreuz des Führers Adolf Hitler entscheidet. „Hier Christus, dort Belial (Dämon)!“, schreibt er in seinen Gefängnisaufzeichnungen am 17. Juli 1942. Der Nationalsozialismus Hitlers und die Religion Christi sind für ihn unvereinbar. Der Mensch muss es erkennen und sich richtig entscheiden. Vor uns liegt ein Glaubens- und Gewissenszeugnis, das bis heute gerade wegen der kompromisslosen Treue zum Glauben und Gewissen, zur Kirche und zu Österreich die Frage aufwirft, ob Pater Franz Reinisch wirklich ein Märtyrer oder vielleicht doch nur ein Spinner ist.

 

Er stirbt für die Kirche und seine deutsche Heimat. „Ich achte und ehre die deutsche Wehrmacht.“ „Ich liebe das deutsche Volk.“ „Ich liebe besonders meine Heimat Tirol.“ „Ich bedauere jedoch, dass die deutsche Wehrmacht von der NSDAP missbraucht wird.“ Das sind die programmatischen Sätze von Pater Franz Reinisch in Bad Kissingen, für die er bereit ist, sein Leben hinzugeben. Lässt sich sein Lebensopfer rechtfertigen? An dieser Frage spalten sich die Gemüter. Ich begegne immer noch Menschen, die nach dem Sinn des Martyriums von Pater Franz Reinisch fragen. Neulich durfte ich auf die Empfehlung von Herrn Helmut Reichart einen gewissen Gerd Sallaberger aus Innsbruck kennen lernen, der sich seit Jahren mit dem Martyrium von Pater Franz Reinisch befasst. Er ist in Österreich ein bekannter Pressezeichner und Journalist gewesen, ein Freund der Neffen von Pater Franz Reinisch. Der Freundeskreis von Pater Franz Reinisch ist in Wirklichkeit groß und er wächst weiter. Es sei hier nur am Rande erwähnt, dass sich auch einige Enkelkinder der Neffen von Pater Franz Reinisch für ihren Großonkel interessieren. Mancher hat sogar in der Schule etwas über ihn geschrieben. „Für die jüngeren Generationen ist Onkel Franz zeitlich schon zu weit entfernt.“, fürchtet Herr Helmut Reichart. Umso mehr hat unser heutiges Gedenken des Todes von Pater Franz Reinisch seine Berechtigung, damit die Kunde von dieser leuchtenden Persönlichkeit nicht in Vergessenheit gerate.

 

Die letzten Sätze der Schlusserklärung zum Todesurteil klingen ähnlich überzeugend wie die programmatischen Worte in Bad Kissingen: Er sei  gerne bereit, „für Christus den König und für die deutsche Heimat sein Leben hinzuopfern, damit Christus der Herr die antichristlich-bolschewistischen Kräfte und Mächte des Auslandes besonders in der Heimat besiegen möge, auf dass unser Volk wieder werde: ein starkes und freies Gottesvolk inmitten der Völker des Abendlandes.“ Am 10. Juli 1942 sagt Pater Franz Reinisch, dass er als Österreicher lebe und sterbe. Fünf Tage später betont er, dass er seine Entscheidung für Christus treffe, damit das Reich Gottes komme. An diesem Tage beendet er seine Aufzeichnungen mit einer Anspielung an den Philipperbrief, Kapitel 1, Vers 21: „Denn für mich ist Christus das Leben, und Sterben Gewinn.“

 

Lasst uns heute Abend dieses Gewinns gemeinsam gedenken.

 

 


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