Predigt von P. Dr. Adalbert Kordas ofm Conv anlässlich der Heiligen Messe in Gedenken an P. Franz Reinisch

  Pater Franz Reinisch – Die Liebe zu Gott hat ihn verzehrt

Gottesdienst in Gedenken an P. Franz Reinisch SAC; Foto: Angela Marlier

P. Adalbert Kordas OFM Conv

Predigt am 23. August 2015 um 9 Uhr in der Kirche der PTHV

 

 

Pater Franz Reinisch – Die Liebe zu Gott hat ihn verzehrt

 

Der Diener Gottes Pater Franz Reinisch SAC lebt und stirbt als liebeglühender Apostel Christi. Bildlich gesprochen ist er eine Fackel der Liebe gegen die Fackel des Hasses. Sein Herz ist voll Dankbarkeit dem hl. Vinzenz Pallotti gegenüber, dessen apostolisches Charisma Pater Franz Reinisch in Schönstatt als verwirklicht erachtet. Die Freiheits-Pädagogik der Seelenführung von Pater Josef Kentenich lässt das Herz von Pater Franz Reinisch wachsen. Er ist glücklich in Schönstatt. Mit seinem Herzen verhält es sich wie mit einer Perle, deren Größe ihren Wert bestimmt. Je mehr Glaubens-Schätze Pater Franz Reinisch in seinem Herzen bewahrt, umso größer wird sein Herz. Das Herz von Pater Franz Reinisch stellt für uns nach wie vor ein spannendes Rätsel dar. Wofür und für wen schlägt sein Herz? Warum interessiert sich die Kirche für Pater Franz Reinisch so sehr, dass sie der Meinung ist, die ganze Welt solle ihn kennenlernen? Sein Seligsprechungsprozess läuft gerade. Es ist – metaphorisch gesprochen – die Perle. Das ist sein Herz, das in seiner Brust auch angesichts des Todes brennt und – wie das Feuer Gold reinigt – seine Gefühle und Gedanken läutert und vervollkommnet.

 

Der heutige Reinisch-Sonntag ermöglicht uns, dem geheimnisvollen Herzen von Pater Franz Reinisch nachzuspüren. Die spirituelle Bedeutung seines Herzens lässt sich am besten im Licht der Passion Christi verstehen. Jesus leidet aus Liebe zu uns sündigen Menschen. Er will für uns eine bessere Zukunft, ein besseres Leben. Will Pater Franz Reinisch nicht dasselbe? Wovon redet er eigentlich? An einer Stelle seiner Gefängnis-Aufzeichnungen notiert er: „Der Symbolwert ist unermesslich, der in den Bildern der Kreuzigung, Kreuzabnahme und Grablegung zu erforschen und zu finden wäre. Möge das liebende Herz der Gläubigen, der Idealkirche, sich darin tief versinken, dann erschließen sich die Türen zu den kostbarsten Schatzkammern des Glaubens und der Liebe.“ Die heutige Sonntagseucharistie lässt uns in das Mysterium Christi tiefer versinken. Versuchen wir es zu tun mit Hilfe des theologischen Gedankenguts von Pater Franz Reinisch.

 

Er betrachtet das Herz Jesu als Sitz der göttlichen Liebe, „als Feuerherd der Liebe“. Die Worte Jesu in Lk 12, 49: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ fasst er so auf, dass er darin den Wunsch Jesu sieht, sein Liebesfeuer möge in allen Herzen brennen und alle Herzen entzünden. Daraus ergibt sich ein apostolisches Postulat. Wer an Jesus Christus glaubt, soll unbedingt sein eigenes Herz mit dem durchbohrten Herzen Jesu entzünden. Das Liebesfeuer des geöffneten Herzens Jesu bringt das gehorsame Herz von Pater Franz Reinisch zum Brennen. Er gehorcht Gott. Das Herz brennt in seiner Brust, weil er glaubt, den Willen Gottes erkennen und die Pulsfrequenzen der Herzen Jesu und Marias vernehmen zu können. Pater Franz Reinisch motiviert uns zu fragen, wie wir unser Herzensfeuer entfachen, damit es für Gott und sein Reich brennt. Dein Herz brenne! Das ist sein Herzens-Anliegen. Entzünden wir mit seinem Fackelfeuer unsere Herzen, damit wir der von ihm ersehnten Blütezeit der Kirche dienen.

 

Seine Gestalt. Das Reichskriegsgericht fürchtet die „Werbekraft“ seines mutigen Protestes. Die Befürchtung des Nachahmungseffektes erweist sich schon ein Jahr später als begründet. Gefängnispfarrer Heinrich Kreuzberg erzählt im selben Gefängnis Franz Jägerstätter (Wehrdienstverweigerer) von seinem Landsmann Pater Franz Reinisch, dessen Entscheidungsweg Franz Jägerstätter ermutigt, den gleichen Weg zu gehen. Beide Österreicher bieten dem nationalsozialistischen Vernichtungs-System die Stirn. Sie tun das aus gut nachvollziehbaren Glaubensgründen und verteidigen unnachgiebig ihre Gewissensfreiheit.

 

Pater Franz Reinisch verteidigt scharfsinnig die Menschenwürde und Religionsfreiheit. Er kämpft für das bedrohte Christentum und Vaterland. Es geht ihm um die Erhaltung des christlichen Abendlandes. Er gebraucht die „Waffen des Geistes und des Glaubens“ gegen den Versuch der Nazis, den wahren Glauben an Gott aus den Herzen der Menschen herauszureißen. Seine Entscheidung erfolgt nicht aus den ihm von den Gerichtsoffizieren vorgeworfenen Charakterzügen wie Sturheit und Stolz, Ungehorsam und Eigenwille, sondern aus einer reifen religiösen Überzeugung, dass er in der Sache Gottes seinen Mann stehen muss. Er ist in Wahrheit weder Gott noch seinen Oberen gegenüber ungehorsam, wenn er den Treueid auf den dämonischen Führer ablehnt. Der Vorwurf seitens seiner priesterlichen Mitbrüder, vor allem seitens einiger Gefängnispfarrer, er verstoße gegen den versprochenen Gehorsam und handle dumm, verletzt ihn innerlich. Auf die Politik der Gewalt und des Mordes lässt sich Pater Franz Reinisch nicht ein. Er will nicht dem Bösen dienen.

Er ist vor seinem gewaltsamen Tod im Zuchthaus Brandenburg-Görden von der apostolischen Sehnsucht beseelt, sein im Glauben reifendes Lebensopfer für die göttliche Herbeiführung der Blütezeit der Kirche einzusetzen. Seine Entscheidung für das Lebensopfer erinnert an die Ermahnung des hl. Paulus im Römerbrief, Kapitel 12, Vers 1: Die Christen mögen sich Gott darbringen als „lebendiges und heiliges Opfer“, das ihm gefällt. So hinterlässt uns Pater Franz Reinisch seine gebildete und im Leid erprobte Gewissens-Überzeugung als eine zukunftsweisende Mahnung, dass der Mensch im Leben unbedingt Gottes Gebote und Anordnungen sowie die kirchliche Glaubens- und Sitten-Lehre respektieren müsse, damit er sich besonders in seinen kritischen Lebens-Situationen adäquat für das Gute und Richtige entscheiden könne. Der Fall von Pater Franz Reinisch ist im Grunde genommen nichts anders als eine konkrete situationsbedingte Nachfolge Christi.

Sein Zeugnis. Das im tiefsten Glauben vollzogene Gewissens-Zeugnis von Pater Franz Reinisch ist mit einer leuchtenden Fackel vergleichbar. Zehn Tage vor seiner Enthauptung verabschiedet sich von ihm sein Gefängnisseelsorger Pfarrer Heinrich Kreuzberg und notiert in seinen Aufzeichnungen: „Rein natürlich gesehen ist sein Sterben eine ungeheure Tragik. Im Licht des Glaubens eine Opfersaat von außergewöhnlicher Fruchtbarkeit, ein Fanal für die Zukunft!“ Er weist darauf hin, dass die Zukunft der katholischen Kirche und des christlichen Volkes an der Spannung zwischen Freiheit und Gehorsam gemessen werden müsse.

Was sagt uns Pater Franz Reinisch zum Thema Gehorsam? Der Gehorsam fordert eine persönliche und überzeugte Entscheidung und ist dem Massenmenschen der damaligen Zeit radikal entgegengesetzt.. Darum fordert Pater Franz Reinisch in der Kirche die „Durchsichtigmachung“ des rechten Gehorsams. Er fürchtet, dass die Kirche, besonders die religiösen Gemeinschaften, eines Tages ihre Priesteranwärter in ihren Reihen haben, die sich aus den vermassten Jugendlichen rekrutieren. Es scheint, dass er sagen will, was der römische Schriftsteller Plinius mit der Sentenz „multum, non multa“ meint, „Viel, aber nicht vielerlei“. Die Kirche braucht vor allem gute Priester, geläuterte und kraftvoll bewährte Persönlichkeiten. Pater Franz Reinisch postuliert die persönliche Gehorsams- und Gewissensbildung.

Was sagt uns nun Pater Franz Reinisch zum Thema Gewissen? Das Gewissen beansprucht den ganzen Menschen. Wenn ein Mensch sich zutraut, das Gewissen zu beachten, setzt er nicht nur seinen Willen und Verstand, sondern sich selber ganz ein und hofft, dass er das Richtige und das Gute zu tun weiß. Die persönliche Überzeugung bringt in den Entscheidungsprozess ein gewisses Risiko mit hinein. Der Mensch braucht darum viel Mut zu glauben, dass er sich im Gewissen nicht irrt. „Momente des Bangens und Zagens gebe es auch bei aller inneren Sicherheit“, gesteht Pater Franz Reinisch. Wer sich auf einen im Glaubens-Licht erkannten Gewissens-Weg macht, muss zu einem Wagnis bereit sein. Dieses Wagnis brennt in der Seele wie ein Feuer.

Er trägt die letzte Verantwortung für seinen radikalen Entscheidungsweg und seine Todestragik allein. Es lassen sich in den Gefängnis-Aufzeichnungen keine expliziten Bitten an Gott feststellen, Gott möge ihn schnellstens aus der drohenden Gefahr befreien. Der mutige Schritt in den Tod beruht ausschließlich auf seinem verantwortlichen Entschluss. Aber der Auslöser seiner Todesgeschichte ist der ihm aufgezwungene Treueid auf den NS-Diktator. So gesteht Pater Franz Reinisch: „Der gegenwärtige Lebens- und Letztabschnitt ist nicht bloß ein freigewählter und freigewollter heroischer Entscheid für Christus und seinen Triumph, sondern auch eine Ausnützung einer mir aufgezwungenen Entscheidung.“ Sowohl im freien Entscheid für Gott, als auch in der bewussten „Ausnützung“ des politischen Umstandes liegt das Geheimnis seines Zeugnisses.

Die Quelle. Woher nimmt Pater Franz Reinisch die geistige Kraft für seinen Leidensweg? Sein Entscheidungsweg ist nicht anders nachvollziehbar als nur vor dem breiten Hintergrund seiner religiösen Lebensprägungen. Das sind mindestens drei Hauptprägungen: Die traditionelle Erziehungs-Kultur seiner katholischen Tiroler Familie, die priesterliche und dann neu entdeckte Berufung in den Fußstapfen des hl. Vinzenz Pallotti und die leidenschaftlich praktizierte pädagogische Freiheits- und Persönlichkeits-Spiritualität von Pater Josef Kentenich. Die allerwichtigste spirituelle Quelle von Pater Franz Reinisch gründet jedoch prinzipiell in der biblischen Nachfolge Christi. Dies beweisen seine zahlreichen Impulse aus dem Neuen Testament. Letztlich ist es vor allem die Liebe Christi, die ihn zu seinem gewissenhaften Glaubens-Zeugnis befähigt. Mit Verweis auf 2 Kor 5, 14 bekennt er: „Caritas Christi urget me.“ – „Die Liebe Christi drängt mich.“ Er bittet Gott in Erinnerung an Ps 17, 8: Gott behüte ihn wie den Augapfel. Er vergleicht sich selbst mit dem heimgetragenen wiedergefundenen Schaf (vgl. Lk 15, 3-7). Er lässt nichts zu, was ihn von der Liebe Christi scheiden könnte (vgl. Röm 8, 39). Schließlich bekennt er seine Liebe zu Jesus wie der Apostel Petrus in Joh 21, 15-17: „Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich liebe.“

Die Weisung. Auf dem Weg zum „Letztentschluss“ ist Pater Franz Reinisch im Geiste begleitet. Er hört den Worten seiner vertrauten Menschen aufmerksam zu. Er findet in ihnen Rat und Trost, Hoffnung und Zuversicht. Das sind zunächst mal seine tiefgläubigen Eltern. Am 25. Juli erhält er einen Brief von seinem Vater, der ihm im Angesicht des Todes Mut macht: „Ja, lieber Franzl, vertraue fest auf die liebe Gottesmutter, und du wirst nicht zuschanden werden. (…) Was jetzt mit dir geschieht, kommt nicht von ungefähr, sondern von oben her.“ Sein verehrter Spiritual Pater Josef Kentenich trägtmit seinen Ratschlägen entscheidend zur Bildung der beharrlichen Haltung bei: „Schenken Sie Gott alle Ihre Gaben im reichen Maß vervielfältig zurück. (…) Sie sollten Ihr Leben möglichst teuer verkaufen.“ Schließlich stützt ihn vor allem der einfühlsame Gefängnisseelsorger Pfarrer Heinrich Kreuzberg, der Pater Franz Reinisch vom 25. Juni bis 11. August, also 48 Tage lang, betreut und von ihm als seinen „priesterlichen Schutzengel“ genannt wird.

Nun wird Pater Franz Reinisch selbst zu einem spirituellen Begleiter, und wir dürfen uns an ihn mit unseren Fragen wenden. Ziehen wir ihn zurate, dann werden wir sehen, was er zu bieten hat. Die Rat- und Vorschläge von Pater Franz Reinisch sind wie ein Licht auf dem dunklen Weg durch unsere Zeit.

Am letzten Tag im Gefängnis Berlin-Tegel – am 11. August – bekundet Pater Franz Reinisch ein hochherziges Anliegen seiner Lebenshingabe: „Es kam mir noch der Gedanke, dass ich mein Leben nicht nur für die Bekehrung der Sünder, sondern auch für Heilige anbiete und aufopfere. Es genügt nicht, nur Bekehrungen zu erbitten. Es müssen viele Heilige im Priester- und Laienstand in der Kirche kommen!“ Ein mit solch ernsthaften Anliegen vertrauter Diener Gottes wird keinen um die Hilfe Gottes ringenden Gläubigen im Stich lassen. Im Gegenteil. Er bietet sich selbst an. Seinem Gefängnisseelsorger – Pfarrer Heinrich Kreuzberg – sagt er: „Wenn Sie etwas haben, wenden Sie sich an mich. Ich werde schon am Throne Gottes rütteln.“

Sorgen wir für die größere Bekanntmachung des leidenschaftlich beschrittenen Entscheidungs-Weges von Pater Franz Reinisch gemeinsam. Er kann die Kirche in ihrem Verkündigungs-Auftrag als verantwortungsbewusster Christ, treuer Priester und opferbereiter Heiliger wirkungsvoll begleiten. Sein Herz für die Kirche und seine deutsche Heimat brennt und leuchtet wie ein Fanal in der Finsternis. Seine Worte klingen nicht immer sanft. Manchmal nehmen sie einen hohen Ton an. In ihrer Schlichtheit und Geradlinigkeit liegt jedoch immer ein ernstzunehmender Samen der Wahrheit Gottes. Die Liebe zu Gott verzehrt Pater Franz Reinisch. Er bittet in seinem Sterbelied vom 9. August 1942, Maria möge ihn als Liebesflamme entzünden, damit er zum Liebesapostel werde, der sich in der Kirche als lebendiges Feuer und nicht als tote Asche erweise, wofür auch wir heute in dieser Sonntageucharistie gemeinsam beten wollen.

Amen.

 

 

 


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