Standing Ovations für „Musical über einen Aufrechten“

Priesterschicksal im Nazi-Deutschland bewegt Zuschauer

Ostern 1946. Ein Pallottinerpater ist in besonderer Mission unterwegs. In seinem Rucksack will er die Asche eines Mitbruders, verborgen in einer Urne, von Berlin über die Interzonengrenze in den Westen bringen. Bei seiner Reise trifft er in Magdeburg ein junges Paar. Dieses will sich nach Hamburg durchschlagen. Die Drei kommen auch auf die „gefährliche Fracht“ des Paters zu sprechen: den Pallottiner P. Franz Reinisch.

 

Vallendar-Schönstatt. Standing Ovations und tobender Applaus. Knapp 1000 Zuschauer ließen sich am vergangenen Samstag von der Geschichte eines Mannes begeistern, der im nationalsozialistischen Deutschland für seine Überzeugung in den Tod gegangen war. P. Franz Reinischs Geschichte ist beispiellos: Er war der einzige katholische Priester, der den Fahneneid auf Hitler verweigerte und dafür im Jahr 1942 von den Nazis hingerichtet wurde. Dennoch: unheilvolle Entwicklungen in Politik und Gesellschaft, die der junge Priester zu seiner Zeit schon früh erkannte, beschäftigen auch heute die Menschen weltweit. Die moderne Musical-Adaption des außergewöhnlichen Priesterlebens stellt mit pointierten Liedtexten unterschwellig den aktuellen Bezug her.

Nur wenige hundert Meter entfernt von der letzten Ruhestätte des mutigen Priesters neben der bekannten Gnadenkapelle präsentierten die Schönstatt-Bewegung Deutschland und das Franz Reinisch Forum der Pallottiner das „Musical über einen Aufrechten“ des Viernheimers Wilfried Röhrig. Mit 40 Darstellern, Sängern und Tänzern erzählte der Komponist und Autor in der Schönstätter Pilgerkirche den bewegten Lebensweg von Franz Reinisch. Den Handlungsrahmen bildet die abenteuerliche Reise des Pallottinerpaters Schwan (Frank Breitenbach), der nach Kriegsende mit einer „gefährlichen Fracht“ unterwegs ist. In seinem Rucksack: die Urne mit den sterblichen Überresten von P. Franz Reinisch, die er ohne Aufsehen von der sowjetischen Besatzungszone in Berlin bis nach Limburg zu seiner Priestergemeinschaft bringen möchte. Seine „besondere Mission“ bleibt jedoch nicht unentdeckt. Zwei junge Mitreisende, Anne (Franziska Lauer) und Björn (Johannes Bechtold), entlocken dem Geistlichen sein Geheimnis und es enthüllt sich Stück für Stück die spannende Lebensgeschichte Franz Reinischs: Seine turbulente Jugendzeit, die Suche nach seiner Berufung, sein Protest gegen das Naziregime und das Mitläufertum, der sich zuspitzende Konflikt mit seinen Vorgesetzten bis hin zu seiner Gewissensentscheidung, die für ihn das Todesurteil bedeutet.

Bevor das Publikum jedoch in das Leben des P. Franz Reinisch eintauchen kann, wird es zunächst einmal von Röhrig auf die „Achterbahn“ geschickt. Das musikalische Vorspiel setzt den Ton für die Entwicklung der Geschichte. Amin Jan Sayed singt von „Volksparolen“, „Demagogen“ und von einer Welt, die „aus den Fugen“ scheint. Ein Szenario, das man sich gar nicht ausmalen mag, als der junge Franz Reinisch (Mathias Gall) mit der bezaubernden Ludowika (Carolin Ankenbauer) fast übersprudelnd vor Glück, über die Bühne tanzend und singend dem Publikum vorstellig wird. Dass er sich schon bald gegen seine Jugendliebe und für seine Berufung, das Priestertum entscheidet, mag für die Romantiker enttäuschend sein, doch bald schon wird deutlich: Reinischs Liebe zu Gott ist einfach größer. Er ist ein „Menschenfischer“, wie Wilfried Röhrig es in dem gleichnamigen Lied treffend beschreibt. Der junge Priester kann die ihm Anvertrauten für den Glauben begeistern. Die Gemeinschaft der Pallottiner gibt ihm eine neue Heimat, in der Schönstatt-Spiritualität des Mitbruders Josef Kentenich findet er sich wieder und zieht daraus Kraft für den Kampf um sein Gewissen. Als er einberufen wird, steht sein Entschluss fest: Er kann „als Christ und Österreicher einem Mann wie Hitler niemals den Eid der Treue leisten" (Franz Reinisch, 1942). „Er macht nicht Halt, er biegt nicht ab“, singt der Berliner Gefängnispfarrer Heinrich Kreutzberg (Klaus Glas). Franz Reinisch folgt seinem Gewissen und weiß, dass er diesen Entschluss nicht überleben wird. Am 7. Juli 1942 fällt vor dem Reichskriegsgericht in Berlin-Charlottenburg sein Todesurteil, am 21. August 1942 wird er in Brandenburg-Görden mit dem Fallbeil hingerichtet.

„Was machen wir mit seinem Schatten? Was machen wir mit seinem Licht?“, intoniert P. Schwan fragend in seinem Abgesang, kurz vor dem Ziel seiner Reise. Der Chor aus Darstellern weiß die Antwort: „Wir sind auf Sendung, sind auf Mission“. Die Botschaft: „Folgt dem Herzen, geht aufrecht und frei. Die Zukunft ist für alle da. Gott zählt auf uns.“ Aktueller kann ein Auftrag wohl nicht sein.

 

Weitere Aufführungen sind geplant:

 

Samstag, 3. November 2018, um 19 Uhr im Kurtheater von Hall bei Innsbruck/Österreich sowie

Sonntag, 18. November, um 17 Uhr in der Hermann-Kimling-Halle in Östringen bei Bruchsal.

 

Zu dem Musical sind eine CD, eine Text- sowie eine Notenausgabe erschienen, die unter  www.rigma-shop.de erhältlich sind.


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