Gefährlich
Franz Reinisch - Musical über einen Aufrechten
„Franz Reinisch hat mich gepackt“
Musical über den einzigen Priester, der während der Nazidiktatur den Fahneneid auf Hitler verweigerte, wird am 14. April in Bad Kissingen uraufgeführt – Komponist und Texter Wilfried Röhrig: „Existieren“ versus „leben“.
Bad Kissingen (POW) Am Samstag, 14. April, wird das Musical „Gefährlich. Franz Reinisch. Musical über einen Aufrechten“ um 19 Uhr im Kurtheater von Bad Kissingen uraufgeführt. Was den Komponisten und Texter Wilfried Röhrig bewegt hat, über den Priester, der den Fahneneid auf Hitler verweigerte und dafür starb, ein Musical zu schreiben und warum die Uraufführung in Bad Kissingen stattfindet, erläutert dieser im folgenden POW-Interview.
POW: Sie haben ein Musical über den Pallottinerpater Franz Reinisch geschrieben, der als einziger Priester im sogenannten Dritten Reich den Eid auf Adolf Hitler verweigert hat. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Wilfried Röhrig: Es war die Hartnäckigkeit eines Reinisch-Verehrers, der den Stein ins Rollen gebracht hat: Franz-Josef Tremer aus Fuchsstadt. Er hat mich mehrfach angerufen, E-Mails geschickt und immer wieder betont, ich müsse unbedingt ein Musical über Franz Reinisch schreiben. Er hat mir einfach keine Ruhe gelassen, bis ich irgendwann gesagt habe: Okay, ich werde mal reinschnuppern, ein paar Bücher und Artikel lesen und dann Bescheid geben. Nur eines war mir klar: Ich mache die Sache nur, wenn ich selbst davon überzeugt bin, dass ein solches Projekt jetzt angesagt ist. Es muss mich innerlich packen, sonst geht es nicht. Und je mehr ich gelesen, je mehr ich mich vertieft habe, umso mehr hat es mich gepackt, genauer gesagt: Er, Franz Reinisch, hat mich gepackt.
POW: Die Uraufführung ist am 14. April im Kurtheater in Bad Kissingen geplant. Warum gerade dort?
Röhrig: Am 21. August 2017 war der 75. Todestag von Franz Reinisch. Das Musical im zeitlichen Umkreis dieses Datums aufzuführen war nicht zu realisieren. Beim Blick in den Terminkalender fiel mir der 14. April ins Auge und ich dachte: Das passt! Am 14. April 1942 sollte Franz Reinisch laut Einberufungsbescheid in der Kaserne in Bad Kissingen seinen Wehrdienst in der dortigen Sanitäts-Ersatzabteilung antreten. Er erschien mit Absicht einen Tag später („Diese Regierung hat mir keine Befehle zu erteilen!“) und machte sofort nach seiner Ankunft klar, dass er den Wehrdienst nicht leisten und den Fahneneid auf Hitler verweigern werde. Damit begann – theologisch gesprochen – sein Kreuzweg, der mit seiner Hinrichtung in Brandenburg-Görden enden sollte. Franz-Josef Tremer und Pfarrer Armin Haas nahmen Kontakt mit der Staatsbad GmbH in Bad Kissingen auf – und stießen dort auf offene Ohren für das Projekt. Ich selbst war vergangenes Jahr in Bad Kissingen vor Ort. Das Kurtheater liegt auf dem Weg vom Bahnhof hinauf zum ehemaligen Kasernengelände. Auch wenn es nicht ausdrücklich belegt ist: Franz Reinisch ist am Kurtheater vorbeigegangen.
POW: Reinisch wurde von den Nationalsozialisten zum Tode verurteilt und starb 1942 durch das Fallbeil. Warum ist der Stoff in Ihren Augen auch heute aktuell?
Röhrig: Letztlich geht es um den Unterschied zwischen „existieren“ und „leben“. Wer nur existiert, hängt sein Fähnchen nach dem Wind und rettet unter allen Umständen seinen Kopf. Er schlängelt sich irgendwie durch und schließt ständig Kompromisse. Wer lebt, steht zu seinen Überzeugungen. Im Musical findet sich der Satz „Liebe, Freiheit, aufrechten Gang gibt es nicht zum Nulltarif“. Das ist für mich der Kern der Reinisch-Geschichte. Doch der Stoff des Musicals besteht nicht nur in der aufrechten Haltung von Franz Reinisch und seinem Nein zum Fahneneid auf Adolf Hitler. Die ganze Lebensgeschichte von Franz Reinisch kommt in den Blick, die „Vorgeschichte“ mit Kindheit und turbulenter Jugend, das Finden seiner (priesterlichen) Berufung, seine Höhen und Tiefen, sein Draufgängertum und seine Zweifel, die Frage nach seinen Kraftquellen, nach Wegbegleitern. Mir ist irgendwann aufgegangen, dass der ganze Lebenslauf von Franz Reinisch eine Folie sein kann, auf der ich mein oder unser Leben lesen kann.
POW: Was meinen Sie damit?
Röhrig: Es geht um einen ganzen Katalog von Fragen, die jeden Einzelnen ganz persönlich betreffen. Was ist meine Berufung und wie komme ich ihr auf die Spur? Wie gehe ich um mit Propaganda, sprich Fake News? Wie gehe ich um mit populistischen Tendenzen? Wie gehe ich um mit sozialem Anpassungsdruck? Wie steht es mit Freiheit und Selbstbestimmung? Welche Rolle spielt mein Gewissen? Wie sensibel bin ich für meine innere Stimme, meine Seelenstimme? Woraus schöpfe ich die Kraft, meinen Weg zu gehen? Was hat Glaube mit Politik und gesellschaftlichen Vorgängen und Entwicklungen zu tun? Wie ist es mit dem Gehorsam der weltlichen und kirchlichen Obrigkeit gegenüber? Wie gehe ich mit meinen Grenzen um? Was bedeuten „Nachfolge“, „Hingabe“, „Opfer“? Was ist unser Auftrag hier und heute?
POW: Das Thema klingt schwer. Warum lohnt es sich in jedem Fall, das Musical zu besuchen?
Röhrig: Sie haben Recht, es ist keine leichte Unterhaltung, die man zumeist mit dem Begriff „Musical“ verbindet. Mir ist es wichtig, neben dem Schauspiel, der Musik und dem Gesang auch tänzerische Elemente auf die Bühne zu bringen. Deshalb die Präsentationsform „Musical“. Auf der anderen Seite und grundsätzlich gefragt: Woran misst sich der Wert eines Musicalbesuchs? Für mich nimmt ein gelungenes Musical die Besucherinnen und Besucher mit auf eine Reise, es bietet in Personen, Szenen, Liedern, Stimmungen Projektionsflächen für die eigene (innere) Welt. Franz Reinisch und seine Lebensgeschichte, sein aufrechter Gang provozieren, rufen und fordern heraus, lösen Zustimmung oder Protest aus. Wer sich darauf einlassen kann und möchte, für den ist der Musicalbesuch und das, was dieser möglicherweise bewirkt, mit Sicherheit ein Gewinn. Ich bin selbst schon richtig gespannt, wie die Besucherinnen und Besucher das Musical aufnehmen, und freue mich schon auf das „Feedback“.
Zur Person
Wilfried Röhrig, Jahrgang 1955, ist Texter, Komponist und Musiker aus Viernheim. Er ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. An der Albertus-Magnus-Schule in Viernheim unterrichtet er katholische Religionslehre und Sport. Röhrig engagiert sich kirchlich unter anderem beim Projekt „Spurensuche“, in der Familienarbeit sowie im Arbeitskreis „Kontrapunkt. Neue Geistliche Musik“ der Diözese Mainz. Als Texter und Komponist hat er zahlreiche christliche Popsongs, Singspiele und Musicals im rigma-Musikverlag (www.rigma.de und www.rigma-shop.de) veröffentlicht.
Interview: Markus Hauck (POW), 26.01.2018