Tagebuch aus dem Gefängnis

P. Franz Reinisch ist seit 8. Mai 1942 im Gefängnis in Berlin-Tegel. Am 25. Juni 1942 beginnt er auf Veranlassung des Gefängnispfarrers Heinrich Kreutzberg mit seinen Aufzeichnungen.

 

Entnommen aus:

P. Klaus Brantzen "Pater Franz Reinisch Band I: Im Angesicht des Todes - Tagebuch aus dem Gefängnis"

 

Ave Cor et Mariae! (Sei gegrüßt Herz Jesu und Herz Mariens)

 

Heute, Donnerstag 25.6., während der Novene auf den Tag meiner Priesterweihe (29. Juni 28) wurde mir die sehnsuchtsvolle Bitte erhöhrt, daß Du, göttlicher Meister, Heiland und Hoherpriester sacramentaliter (im Altar-sakrament) zu mir kommst. Denn darin würde ich erneut einen Beweis für die Richtigkeit meines einmal eingeschlagenen Weges erblicken. Welch große Gnade, nicht nur Einkehr hielt der gute Hirte in mein Herz, das seit dem 8.5. danach sich sehnte, sondern er nimmt Wohnung in meiner kleinen Zelle!

 

MTA, das ist alles Dein mütterliches Helfen, Trösten, Freude bereiten.

 

"Nie kann ich, Mutter, danken Dir genug..."

 

Zudem ein Sch. (Schönstatt)-Priester, den Du zu mir gesandt!

 

"Heiland, es will Abend werden, denn der Tag hat sich geneigt!"

 

Mein Lebensgang geht zu Ende. So willst Du den letzten Abschnitt meines Ringens mit mir gemeinsam vollbringen.

 

"Nie kann ich, Jesus, danken Dir genug..."

 

Im Auftrag und Wunsch des Sch.-Priesters will ich nun niederschreiben, wie ich es wagen kann, diesen Weg zu gehen.

 

Drei Gründe bestimmen mich dazu:

I. ein religiös-kirchlicher

II. ein politischer

III. ein gnadenhafter

 

 

I. ein religiös-kirchlicher:

 

a) allgemein kirchlich

b) allgemein religiös

c) spezifisch schönstättisch

 

 

ad a) weil die Kirche heute Freiwild geworden; siehe Hirtenbriefe der letzten Jahre, ferner "Mit brennender Sorge", endlich die praktische Ausweitung der Verfolgung.

 

ad b) Es geht um das Prinzip: "Das Christentum ist der nordischen Rasse artfremd, ferner veraltet, endlich staatsfeindlich", zu überwinden.

 

ad c) Sch. ist ein vorwärtsstürmender Katholizismus und daher eine ausgesprochene, kraftvolle antibolschewistische Bewegung und Gnadenbewegung. Jede Gnade aber verlangt Opfer!!!

 

Da nun die Einrichtungen: Ministerien, Partei, G.St.Po  (Geheime Staatspolizei) besonders die NS-Weltanschauung mit List und Gewalt durchführen, und zwar total, in allen Lebensverzweigungen, darum die entschlossene Gegenwehr - Notwehr!

 

II. ein politischer Grund:

 

Die gegenwärtige Regierung ist keine gottgewollte Autorität, sondern eine nihilistische Regierung, die ihre Macht errungen hat durch Gewalt, Lug und Trug!

 

1933 gewaltsame Selbstauflösung der pol. Parteien.

1938 gewaltsame Besetzung Österreichs

        Schuschnigg: "Bekenntnis will ich!"

 

Das NS-Prinzip: "Gewalt geht vor Recht", zwingt mich in die Notwehrstellung. Es gibt für mich daher keinen Eid der Treue auf eine solche Regierung.

"Mit Vorbehalt" den Eid abzulegen, muß ich nicht und will ich nicht!

 

III. ein gnadenhafter Grund

 

1. 1938 ließ mich die göttliche Vorsehung die gewaltsame Besetzung meiner Heimat zu Hause miterleben.

2. Bei der Volksabstimmung war ich nicht in der Liste eingetragen.

3. 12.9.40 Mariae Namen erhielt ich das Predigt-Verbot. Das machte mir die Übernahme einer Pfarrstelle unmöglich.

4. Als Ende 1940 die Wehrmacht auch die Priesterjahrgänge 1908 bis 1900 einzuziehen begann, war es für mich klar, daß mit der Weigerung des Fahneneides für mich der Tod bald bevorsteht. Dazu reifte nun in nächster Zeit immer fester mein Entschluß.

5. 1.3.41 Bereitschaftsbefehl

Es war ein Samstag! Wieder ein Gruß der MTA (Mater ter admirabilis-Dreimal wunderbare Mutter). Jetzt entschloß ich mich erst zur   

"Blankovollmacht" (Ganzhingabe; vorbehaltlose Übereignung).

 Überdies Hochzeitstag meines Bruders!!!

6. Beratung und Befragungen, wenn auch negativ oder nur indifferent, haben mich in meinem Entschluß nur bestärkt, jedoch kam es nicht zur Durchführung. Der Böhmerwald nahm mich für ein halbes Jahr auf. Plötzlich Erkrankung P. Eustachi!

7. 15.8. Mariae Himmelfahrt erneuter Bereitschaftsbefehl!

Durch Übernahme eines neuen Postens "Abenberg-Nürnberg" hat es sich wieder verschoben. Doch dieser Posten wurde mir nicht dauernd übertragen.

8. "1942 Sch.-Parole: Omnia opera mea Christo Regi crucifixo et glorioso" ("Alle meine Werke Christus dem gekreuzigten und verherrlichten König") löste in mir die bestimmte Ahnung aus: In diesem Jahr kommt es für mich zur Entscheidung.

9. Die reichen Gaben, die der liebe Gott mir gegeben, will ich vervielfältigt zurückerstatten: den klaren Verstand, tiefe Erkenntnisse und festen Willen. Und wenn es mir glücken würde, mich selbst ganz loszulassen und mich im Geister der Inscriptio der lieben MTA zu übergeben, dann wird gewiß mein stürmisches Tirolerblut sich etwas beruhigen und für eine konkrete Aufgabe sich frei machen...

Der Letztentscheid wird mir allerdings entweder jetzt oder wenigstens im Augenblick des Todes glücken, wenn ich ganz der lieben MTA im Geister der Inscriptio treu bleibe. Ich will mein Leben möglichst teuer verkaufen. Und daß mein Lebensweg Schönstatt gekreuzt hat, soll nicht umsonst sein!

10. 1.3.42 traf ich am neuen Ort im Bayer. Wald "Wegscheid" ein. Schon der Name bedeutete für mich: "Du stehst hier nun am Scheideweg". Gut ein Monat verging, und ich erhielt die Einberufung am Osterdienstag.

11. Ich traf in Bad Kissingen absichtlich einen Tag später ein. Sofort verhaftet 15.6.

Ausgerechnet am 20.4. war es, da wollte mich mein Provinzial durch P. Nägele in Gegenwart der Militärbehörde zum Fahneneid bewegen lassen. Das war für mich der Tag, wo ich mich erst recht für Christus entschied.

12. In der Nacht auf das Fest "Erscheinung St. Michael" fuhr ich von Bad Kissingen nach Berlin. Am 8.5. vormittags traf ich hier ein. Dazwischen wären noch viele andere kleine Aufmerksamkeiten der liebevollen Führung der göttlichen Vorsehung zu erwähnen. Doch das eine steht fest: ich will nicht aufhören, die liebe MTA zu bestürmen, sie möge nach ihren Plänen über mein Leben verfügen für ihr Werk, wie es ihr wohlgefällt. Es soll meine Lebenshingabe ein Sühneopfer sein für meine eigene Armseligkeit, ferner aber ein Liebesopfer für das Sch.-Werk.

 

"MTA, laß mich in diesen Tagen noch stark reifen, damit ich Deinem großen Zeichen: Licht-, Kampf- und Siegeszeichen folge in Treue und so erlebe die Wahrheit des Wortes: in hoc signo vincam (In diesem Zeichen werde ich siegen). Ich selber aber will eine lodernde Liebesflamme, ein bereitwilliges Liebesopfer und ein glühender Liebesapostel werden, damit ich gereiche: in caritate Christi urgente ad infinitam Dei gloriam ad destruendum peccatum et ad sanandas animas! (Aus der drängenden Liebe Gottes und zur Vernichtung der Sünde und zur Rettung der Seelen). M.H.C. (Mater habetit curam - Die Mutter wird Sorge tragen)."

 

Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, 25. Juni 1942

Mariae Heimsuchung! Es war eine doppelte frohe Heimsuchung:

 

1. Die irdische Mutter stellte sich ein mit einem Päckchen Schokolade. Es war 9 Uhr vormittags.

 

2. Die himmlische Mutter, die gute MTA, sandte mir die Freudenbotschaft, daß am Dienstag, 7.7.42, der Haupttermin sei.

Es war 13 Uhr mittags.

 

3. Darum bitte ich die Eltern, mir keinen Brief mehr zu schreiben, ehe mein Brief eingetroffen ist. Wahrscheinlich wird es der letzte sein.

 

4. Bei der Nachricht von meinem Ableben mögen sie eine stille heilige Messe lesen lassen zur Immaculata (8. Dez.), denn es war meine Lieblingsmesse! Ist "Immaculata" doch das große Licht-, Kampf- und Siegeszeichen.

 

5. Sie sollen nicht in Trauer gehen: weil nicht zeitgemäß und weil auch wirklich es nach unserem Glauben nicht notwendig ist. Bin ich ja gut aufgehoben!

 

6. Dienstag, 7.7.42 um 10.45 Uhr Hauptverhandlung.

 

 

Lobpreis

 

Gott sei gepriesen!

Gepriesen sei sein heiliger Name!

Gepriesen sei Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch!

Gepriesen sei der Name Jesus!

Gepriesen sei sein heiligstes Herz!

Gepriesen sei Jesus im heiligsten Altarsakrament!

Gepriesen sei das kostbare Blut Jesu Christi!

Gepriesen sei die Gottesmutter, die seligste Jungfrau Maria!

Gepriesen sei die Dreimal wunderbare Mutter von Schönstatt, die Königin des Weltalls!

Gepriesen sei Maria, die Königin der Apostel!

Gepriesen sei Maria, die allgemeine Gnadenvermittlerin!

Gepriesen sei der Name der Jungfrau und Mutter Maria!

Gepriesen sei der heilige Josef, ihr reinster Bräutigam!

Gepriesen sei Gott in seinen Engeln und Heiligen!

 

"Du wirst über die Zeiten siegen, wir werden nicht untergehn!"

 

MTA, sei gegrüßt, Du großes Zeichen: Licht-, Kampf- und Siegeszeichen. Du Immaculata (Unbefleckte Empfängnis) am Anfang der Zeiten. Du mater dolorosa (Schmerzhafte Mutter) am Höhepunkt der Zeiten. Du Regina gloriosa: Signum magnum (Glorreiche Königin, großes Zeichen) am Ende der Zeiten!

Siehe, vor Dir kniet ein Priesterkind, das Dich, dreimal wunderbare Jungfrau, Mutter, Königin, an seinem Lebensende anfleht: Laß mich, wenn es Deinen Plänen entspricht, bald ein Schlachtopfer der Liebe werden für Dein großes Werk. Führe mich sicher durch alle Gefahren hindurch zum Throne des Dreifaltigen Gottes. Wohl weiß ich um meine Erbärmlichkeiten des vergangenen Lebens. Aber je mehr mir verziehen - so sprach einst auch Dein göttlicher Sohn - (Luk. 7.47), um so größer ist die Liebe! Ich vertraue auf das Erbarmungsmeer der göttlichen Liebe. Denn Gott ist die Liebe, und Du, o MTA, bist die Mutter der göttlichen Liebe, die Mutter der Barmherzigkeit.

 

O meine Gebieterin, o meine Mutter und Königin des Herzens, Dir bringe ich mich ganz dar, meine Augen, Ohren, Mund, Hände und Füße, meinen Verstand und Willen, meine Freiheit und Ehre, ja mein ganzes Herz und mein Leben. Alles ist Dein. Weil ich denn nun ganz Dir gehöre, o dreimal wunderbare Mutter, darum bewahre und beschütze mich als Dein Gut und Eigentum. Und wenn es Deinen Plänen entspricht, laß mich bald ein Schlachtopfer der Liebe werden für Dein großes Werk. Laß mich als liebeglühender Schönstatt-Apostel leben und sterben (PI - Persönliches Ideal). Amen.

 

Mutter, dreimal wunderbar...

Mutter mit dem Himmelskinde...

 

 

Abschiedsgebet!

Gewidmet der Schönstattweltmission!

 

Göttlicher Heiland, Herr und Meister, Hoherpriester und Weltenkönig. Du Sohn und Bräutigam Mariens! Laß mich Deine Worte auf meine Lippen nehmen und sie an Dich richten:

 

1. Göttlicher Heiland, die Stunde des marianischen Zeitalters ist gekommen: verherrliche Deine Braut und Mutter, damit die Braut und Mutter Dich verherrliche. Du hast kraft der mystischen Zweieinheit, das heißt, kraft der gegenseitigen, vollkommenen, absoluten und ewig dauernden Bestimmung (praedestinatio) ihr Macht über alles Fleisch gegeben, damit sie allem, was Du ihr anvertraut hast, ewiges Leben verleihe. Das aber ist das ewige Leben: den einen wahren Gott: Vater, Sohn und Hl. Geist erkennen und lieben und Maria, die Königin des Weltalls. Sie hat Dir auf Erden gedient im empfangenden Hingegebensein, sie hat somit Dir geholfen, Dein Werk zu vollbringen, das Dir vom Vater aufgetragen war. Heiland, verherrliche nun Deine Braut und Mutter mit der Herrlichkeit, die sie bei Dir schon hatte, ehe die Welt war.

 

2. Göttlicher Heiland, offenbare ihren Namen den Menschen, die Du ihr von der Welt gegeben hast. Ihr gehören sie, Du hast sie ihr anvertraut, und sie werden Dein Wort über Deine Braut und Mutter bewahren. Sie wissen auch, daß alles, was Du, o Heiland, Deiner Braut und Mutter gegeben, von Dir ist, daß alle Marienherrlichkeit von Deiner Herrlichkeit stammt.

 

Maria, die dreimal wunderbare Mutter und Königin des Weltalls, möge für uns bitten, nicht für die Welt, sondern für uns, die Du, o Heiland, ihr gegeben hast, denn wir gehören Dir und Deiner Mutter. All das Deinige gehört ja auch Deiner Mutter, und all das Ihrige gehört Dir, und so ist Maria in uns verherrlicht. Maria ist nicht mehr in der Welt - wir aber sind noch in der Welt. Denn sie ist bei Dir, o Herr.

 

Göttlicher Heiland, erhalte uns in Deinem Namen, den Du ihr zu künden anvertraut hast, daß wir in geheimnisvoller Weise auch eins seien, wie Du, o Jesus, und Maria eins seid. Maria ist nun bei Dir, o Heiland, möge Sie uns Deinen Namen künden, damit ihre Freude uns in der Welt vollkommen zuteil werde. Möge Maria uns Dein Wort künden, obleich die Welt uns haßt, weil wir nicht von der Welt sind, wie auch Maria nicht von der Welt ist. Maria möge nicht bitten, daß Du, o Heiland, uns von der Welt hinwegnehmest, sondern daß Du uns vor dem Bösen bewahrest. Wir sind ja nicht von der Welt, wie Maria nicht von der Welt ist. Weihe uns, o Jesus, in der Wahrheit: Dein Wort ist Wahrheit. Wie Du, o Jesus, zugleich mit Maria vom Vatergott in die Welt gesandt worden seid, so sind wir auch von Euch in die Welt gesandt. Für uns habt Ihr, o Jesus und Maria, Euch geheiligt, damit auch wir in Wahrheit geheiligt seien.

 

3. Göttlicher Heiland, es möge Maria doch nicht allein für uns flehen, sondern auch für jene, die durch unser Wort an Dich und Maria glauben, damit sie alle eins seien, wie Du, o Jesus, in Maria und Maria in Dir ist; so sollen auch sie in Euch sein, damit die Welt glaube, daß Du, o Jesus, Deine Braut und Mutter jetzt als Gnadenmittlerin sendest. Möge sie uns die Herrlichkeit der Kindschaft Gottes erflehen, die Du, o Jesus, in einzigartiger Weise Deiner Braut und Mutter gegeben hast, damit sie eins seien, wie Ihr, Jesus und Maria, eins seid. Möge Maria kraft der Liebe in ihnen sein, wie Du, o Jesus, in ihr bist, auf daß sie vollkommen eins seien. So möge die Welt erkennen, daß Du, o Jesus, Maria jetzt sendest und die Seelen liebst, wie Du Maria geliebt hast. Heiland, laß jene, die Du Deiner Braut und Mutter gegeben hast, bei ihr sein an dem Orte, wo sie ist, damit die Seelen die Herrlichkeit sehen, die Du, o Jesus, Deiner Braut und Mutter verliehen hast. Denn Du liebtest sie, noch ehe die Welt ward.

 

Göttlicher Heiland, die Welt hat Dich nicht erkannt: Maria aber hat Dich erkannt, und wir haben erkannt, daß Du Maria jetzt als Gnadenvermittlerin sendest. Maria hat Deinen Namen bereits kundgetan und wird ihn ferner noch weit mehr kundtun, damit die Liebe, mit der Du Maria liebst, in uns sei und Maria in uns!

 

Dann werden wir alle in Dir, o Jesus, durch und mit Maria in das große Liebesmeer des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes eingetaucht, das unsere Seligkeit sei in Ewigkeit. Amen.

 

 

O Herr, leite mich!

 

1. O leite mich mit Deinem Licht,

    ja, leite mich!

    Nacht ist's umher, die Heimat seh ich nicht,

    o leite mich!

    Ich bitte nicht, daß ich mög' ferne sehn,

    laß mich nur Schritt für Schritt gerade gehen!

 

2. Ich hab' nicht immer so zu Dir gefleht:

    Herr, leite mich!

    Ich liebte eigenen Weg, jetzt komm' ich spät,

    o leit Du mich!

    Ich liebte Stolz und war voll Sinnlichkeit,

    ach Herr, gedenke nicht vergangner Zeit!

 

3. Bisher hast Du gesegnet mich,

    wohlan, so leite mich

    auch ferner - bis die rauhe, dunkle Bahn

    einst lichtet sich.

    Dann stehn am Morgen Sel'ge vor mir da,

    die einst ich liebte und dann nimmer sah.

 

                                            (Card. Newman)

 

Dieses Gebet - Gedicht habe ich in dem Gefängnis täglich gebetet, weil so trostreich. In diesen Versen liegt all das verborgen, was nicht gut zu schreiben ging. So soll diese Reflexion et gratiarum actiones ausklingen in diesem Liede:

 

"So nimm denn meine Hände..." und

"Mutter, dreimal wunderbar, lehr uns..." und

"In Deine lieben Hände leg ich meine..."

 

Das ist der Weg der göttlichen Vorsehung, das ist der Gedanke Gottes meines Lebens, das ist die Liebe der unendlichen Liebe, daß alles einmünden sollte ins Kapellchen mit seiner Ideenwelt, Gnadenwelt und Aufgabenwelt. Alles, alles ist Gnade!!!

 

Das Maß der Sehnsucht ist das Maß der Erfüllung. Wie groß bist Du, oh ehrw. Vater V. Pallotti! Du hast die Gnaden für mich verdient, damit sie in meinem Leben flüssig werden: Die Gnade als liebeglühender Sch.-Apostel zu leben und zu sterben.

Ave MTA!

 

Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, 2. Juli 1942

M.h.c. (Mater habebit curam - Die Mutter wird sorgen)

 

Heute, am Samstag 4. Juli, hast Du, liebe MTA, mir ermöglicht "in parvula ecclesia mea sacrificium J. Chr. offere" (in meinem kleinen Kirchlein das Opfer Jesu Christi dazubringen). Aus dieser Hochglut der Freude heraus will ich an meinem Lebensende eine zweifache Frage beantworten:

 

I.  Was war mir der Gnadenort Schönstatt geworden und

II. Was habe ich nun dem Gnadenort Schönstatt zu geben?

 

I. Der Gnadenort Schönstatt ist mir geworden:

 

1. Heimstätte

2. Heiligungsstätte

3. Werkstätte

 

1. Heimstätte:

 

Warum? Wegen der Geborgenheit, die ich dort erlebte. Zunächst natürliche Geborgenheit: ob der schönen Lage, angenehmen Lebensverhältnisse.

Geistige Geborgenheit: ob der außergewöhnlich hochstehenden Persönlichkeit des H.H. Pater Kentenich, ob des hochgelagerten Milieus und der geistvollen Atmosphäre, ob der Sicherheit im Glaubensstoff, ob der Klarheit im Denken und Wollen.

Endlich auch geistliche Geborgenheit: wegen der Liebe, die mich dort umgab. -- Hier an dieser Stelle möchte ich aufrichtig alle um Verzeihung bitten wegen des Ärgernisses, das ich gab, wegen der Kälte im Liebeverschenken, wegen meiner Verschlossenheit, Empfindlichkeit. Denn jetzt erst in der Gefangenschaft spüre ich, was für eine Wärme mich in der Hausgemeinschaft umgab. Aber es mußte ja so kommen, daß ich gerade darin noch geformt, ja umgeformt werden sollte. -- Geistliche Geborgenheit ferner wegen der übernatürlichen Luft der ganzen Familie: Priester, Schwestern, Familienmitglieder; endlich wegen des Kapellchens und seines Geheimnisses. -- Hier darf ich wohl mit froher Dankbarkeit die Gnade erwähnen, daß ich keinen Augenblick am Schönstattgeheimnis gezweifelt, sondern im Gegenteil durch die Schwierigkeiten nur um so fester darin verwurzelt wurde. Und das gibt mir gerade in dieser letzten Phase des Lebens die größte innere Ruhe, Freiheit, Zuversicht und Festigkeit. Es ist dies der Weg, den ich jetzt gehe, der Wille Gottes, der MTA, d.h. Heimstätte wegen der Geborgenheit in der Ungeborgenheit. Ich habe zur Orientierung meines jetzigen Weges fast niemanden auf der Welt, der mir zur Seite stand. Es war ein reines Abtasten der jeweiligen Fingerzeige der MTA. Anfangs sehr spärlich, aber aufgrund der bestandenen Glaubensproben in letzter Zeit reichlich, fast überreichlich. "Nie kann ich, Mutter, danken Dir genug..." "Magnificat anima mea Dominum..."

 

Wenn jemand diese Zeilen liest, möge er hier ein TE DEUM singen wegen der Erbarmungen Gottes an meiner armen Priesterseele!

 

2. Heiligungsstätte

 

a) Während meines Aufenthaltes am Gnadenort lernte ich zunächst kennen die Gnadenquellen, Gnadenströme vor allem, wie sie in der Schönstattfamilie aufbrachen und durchflossen. Ich stand gleichsam als Wanderer am Rande und Strande des Gnadenmeeres, das hier hin- und herwogte. Wohl machte ich einige Schwimmversuche, auch einige Dampferfahrten, d.h. , ich versuchte das PE (Particularexamen - Besonderer Vorsatz), GTO (Geistliche Tagesordnung), LB (Liebesbündnis) täglich zu üben. Es ging sogar einige Zeitlang gut. Dann wieder blieb ich nur Kenner, aber nicht Übender und Lebender dieser Gnadenquellen. Und doch flossen in meiner Seele reichlich Bekehrungs-, Bewährungs- und Heiligungsgnaden. Ich erinnere mich mit großer Dankbarkeit und Liebe an die vielen Vorträge, Exerzitien, Tagungen, Feierstunden, ganz besonders die Tischgespräche und Unterhaltungsstunden.

Wie jubelt oft meine Seele ob der neuen Erkenntnisse, ob der neuen Antriebe und Anspornungen, wie reuevoll aber auch, innerlich zerknirscht stand ich auf und konnte, ja wollte es niemanden merken lassen. Diese Witterungen meiner Seele waren ständige Gnadeneinflüsse. "Nie kann ich Mutter danken Dir genug!"

 

b) Während meiner Gefängniszeit jedoch erlebte ich nun diese weise Führung und Fügung der MTA. Hätte ich den Gnadenort nicht gehabt, wäre ich diesen Weg entweder nie gegangen oder ich wäre sicher abgebogen oder verzweifelt. Eine ganz gewaltige und harte Schule, Leidensschule ist es, in die mich die MTA nun geführt. Aber auch nur eine solche Schule konnte noch auf meinen Charakter Einfluß gewinnen. So will ich nur von Herzen danken dafür. Ich versetzte mich fast dauernd ins Kapellchen: feierte geistigerweise das heilige Opfer, verrichtete dort meine Gebete: Betrachtungen, Geistliche Lesung, Tischgebete, Besuchung, Rosenkranz. Ja, ich wurde jetzt erst recht Pallottiner. Ich lernte schätzen, was die Gesellschaft unseres ehrwürdigen Stifters Vinzenz Pallotti für mich bedeutet. Der Glaube an seine Verheißung "haec societas..." (haec societas erit benedicta - diese Gesellschaft wird gesegnet sein) verließ mich nie. Nun erkannte ich, wieviel ich meiner Provinz durch mein Leben geschadet. Mögen nur heiligmäßige und geistig hochstehende Priester in der PSM heranreifen. Nicht Quantität, sondern Qualität ist entscheidend. Denn die caritas Christi urgens (die drängende Liebe Christi) bedeutet ständige hochgelagerte wissenschaftliche wie aszetische Geistpflege.

Wie freue ich mich, daß ich seit einiger Zeit auch schriftlich die Selbstkontrolle übe. Aus reiner Opferliebe im Geiste der Inscriptio (Selbstaufopferung)! So führt mich die MTA jetzt auf die Höhe eines Sch.-Priesters, wie er in der PSM (Pia societas missionum - Fromme Missionsgesellschaft - damalige Abkürzung für die Gesellschaft der Pallottiner) sein soll.

 

3. Werkstätte

 

Mit dem dauernden Bewußtsein: alle irdischen Brücken sind abgebrochen, es bleibt nur mehr der Tod; dazu die Beraubung der äußeren Freiheit und der Ehre, die entsprechende Behandlung usw. Alles hat nur einen Sinn: die Liebe zu Gott zu suchen, zu finden und zu üben, zu leben. Denn Gott und Göttliches, Christus, MTA, Heilige, Arme Seelen wurden die Hoffnungsanker. Allmählich wurde das Wort lebendig: "Alles aus Liebe, nichts aus Zwang"

Diese Grundlage ward nun der Ausgangspunkt, meinen einmal eingeschlagenen Weg erst richtig zu verstehen. Es war noch ein weites Stück Weges zurückzulegen, bis ich sah, wohin der Weg letztlich führt. "Nie kann ich, Mutter, danken Dir genug." Endziel ist die lebensmäßige, nicht bloß erkenntnismäßige Einsatzwilligkeit, eine Blütezeit der Kirche Gottes zuerst bei mir und dann in meiner nächsten Umgebung bis zu den beiden mir gestellten Aufgabenbereichen: Männerwelt und Weltmission herbeizuführen. So reift nun lebens- und gnadenmäßig alles aus zum gewaltigen Apostolat! Caritas Christi urget me ad infinitam Dei gloriam (Die Liebe Christi drängt mich zur unendlichen Ehre Gottes). A.D.P. (Ad destruendum peccatum - Zur Zerstörung der Sünde) facere omnia (alles einsetzen)!

Diese Werkstätte, wo die Werkzeuge zum marianischen Christkönigsreich geschmiedet und gehobelt werden, diese ist das Kapellchen, wie es in der Gefängniszelle aufleuchtete.

 

"Gar tief empfunden Heimatstunden

erlebte ich in meiner kleinen Zelle,

hier heilten meine großen Seelenwunden

wohl fern und doch ganz nah der Gnadenquelle."

 

Das Apostolat der Sehnsucht, das Apostolat der Liebe, das Apostolat des Leidens macht die Worte so wertgesättigt: Omnia opera mea Christo Regi crucifixo et glorioso et madri dolorosae et reginae gloriosae (Alle meine Werke Christus dem gekreuzigten und verherrlichten König und der schmerzhaften Mutter und glorreichen Königin)!

Diese vollständige Losgeschältheit vom eigenen Ich, was unter großen Schmerzen errungen werden mußte, machte mich nun reif, ohne Furcht ernst zu machen mit der Inscriptio. Vollkommene Liebe verdrängt die Furcht! Denn Gott ist die Liebe und läßt sich an Großmut nicht übertreffen. Er schickt soviel Leid, als man fähig ist, im Augenblick zu meistern. Dadurch wächst der Glaube, die Geduld und der Mut, noch größere Aufgaben anzunehmen und zu erfüllen. Wenn nur Gottes und der MTA Wille in Erfüllung gehe! d.h. Herbeiführung der Blütezeit der Kirche.

 

Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, 4. Juli 1942

II. Was habe ich nun dem Gnadenort Schönstatt zu geben?

 

Den neuen Menschen im Geister der Inscriptio 1. in seinem Sein (PI) und 2. in seinem Wirken

 

ad 1. Der neue Mensch in seinem Sein!

 

Als ich am 15. April den Fuß durch das Tor in den Kasernenhof setzte, glaubte ich, daß in 14 Tagen wenigstens die ganze Lebensprüfung bestanden und überstanden sei. Doch darin habe ich mich gründlich getäuscht. Das Ungewisse, das lange Warten, ein Tag nach dem anderen geht vorbei, nagte stark am Lebensmark, so daß zwei große Versuchungen zu überwinden waren: Ungeduld und Kleinmut.

Jeder Tag wurde zu einem Neuentscheid für meinen einmal gefaßten Entschluß. Jetzt fast nach zwölf Wochen weiß ich, wie doch die gute MTA hier ihre Hand im Spiele hat und mir Zeit gibt zu einer vollkommenen Neugeburt des inneren Menschen. Bei all diesen Zeiten ist eines festzuhalten: daß meine ganze schwere Lebenslage von einem einzigen Wörtlein ständig abhängt: "Ja" zu sagen zum Fahneneid, und sofort wäre alles anders. Und doch halte ich unbeugsam daran fest, daß es der Wunsch und der Wille Gottes und der MTA ist, von meiner Person zu verlangen, daß ich freiwillig den Tod auf mich nehme, als Gabe und Aufgabe zugleich.

 

1. Gabe

 

a) Das ständige Warten, wochen- und monatelange Hinschauen auf die Gewißheit: Der Tod ist von mir frei gewählt und frei gewollt, ist ein außergewöhnliches Gnadengeschenk. Natürlich gesehen hätte ich es nie ausgehalten.

 

b) Das Ziel und der Zweck, weswegen ich dieses Lebensopfer bringen will, ist mir ganz klar. Und diese Klarheit und Festigkeit ist wiederum ein reines Gnadengeschenk der MTA.

 

c) Mein Lebensopfer soll ein Hohelied werden auf

 

1. Die Würde des Menschen: innere Freiheit, ausreifend bis zur Freiheit der Kinder Gottes!

2. Wert des Menschen: Gotteskind, nicht bloß Kind des Blutes.

3. Unsterblichkeit der Seele.

4. Das Wirken nach dem Tod, der Glaube an die große Segensfrucht des Lebensopfers.

5. Die Gnadenwelt, die mich trägt und stärkt. Also, Glaube an eine übernatürliche Hilfe: MTA.

6. Glaube an den Sinn und Wert des Leidens und des Lebensopfers als Ergänzung zum Kreuzesopfer Jesu Christi.

7. Priestertum der katholischen Kirche: das geweiht und gesandt ist für die Rettung und Heiligung der Welt.

8. Die Kraft des Zölibates! Dieses Unbeschwertsein und Geborgensein in Christus.

9. Sieghafte Entscheidung für Christus und sieghafte Heimkehr zum Vater und sieghaftes Verlorensein im Heiligen Geiste.

10. Glaube an die baldige Blütezeit der Kirche, die vom Kapellchen aus aufbrechen muß.

 

 

2. Aufgabe:

 

Was bisher als Gnade und Gabe geschaut ward, ist zugleich Aufgabe geworden. Darum die ständige Bitte: "Liebe MTA, laß mich vor den Menschen ein Held, vor Gott ein Kind sein!" Jedesmal, wenn ein inneres Bangen und Zagen mich überfiel, dann las ich im Geiste: Maria stand unter dem Kreuze kraftvoll vor aller Welt! - Der göttliche Heiland weinte wie ein Kind im Ölberggarten zum Vater, und vor den Verräter und vor die Welt jedoch trat er hin gefaßt, mutig und entschlossen, stark. Darum: "Stehe in göttlichem Lichte, stehe in göttlicher Zuversicht, stehe in göttlicher Kraft, wenn es gilt, vor der Welt ein Bekenntnis abzulegen."

Jeden Tag flehte ich: MTA, Heiland, schenkt mir den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit (2 Tim. 16). Und so reifte die Liebe immer mehr zur Kraft aus. Und die Kraft förderte aus Dankbarkeit und Abhängigkeit die Liebe. Beide zusammen ließen die Feinhörigkeit auf die Einsprechungen des Heiligen Geistes wachsen, und damit hing das Gnadengeschenk der Besonnenheit zusammen. Der neue Mensch im Lichte der vergangenen Prüfungszeit ist zum Lobpreis Gottes und der MTA der Mensch, der total vor Gott kapitulierte. Wenn die Triebwelt und die Ichwelt in mir aufschrie, dann hörte ich immer: "Es steht ja bei mir, es anders zu haben!" (Versuchung) Sofort aber flehte ich zur MTA "nur das nicht. Das würde für mich seelischen Zusammenbruch, Charakterlosigkeit bedeuten" (Ruhe als Geschenk, Opferkraft). Denn seit dem 20.04. hatte ich die Gewißheit, daß es so Gottes Wille ist. Das reiche Gebetsleben, vor allem aber die Betrachtung des Kreuzweges, ließ mich erleben das Wort: "Omnia haec propter me! Dilexit me! Quantum magis!" (Dies alles wegen mir! Er liebte mich! Soviel wie möglich!)

 

Dann begann sich allmählich Verstand und Herz der Inscriptio zu nähern und (sie) zu tätigen. Ja, jetzt flehe ich mit heißer Sehnsucht: "Laß mich aufgelöst werden, o Heiland, um bei Dir zu sein. Liebe MTA, nimm mich als Schlachtopfer der Liebe an. Doch nicht mein Wille geschehe, sondern der Deine!"

 

ad. 2 Der neue Mensch in seinem Wirken!1

 

Die Totalkapitulation ist das Sein des neuen Menschen! Möge der unendliche dreifaltige Gott in seiner Barmherzigkeit jeden Tag, den er mir noch schenkt, sein Werk vollenden! Ich glaube fest: Was Gott begonnen, setzt er sieghaft fort und führt es siegreich zu Ende! Der neue Mensch in seinem Wirken mußte sich in mir an feste Grundsätze halten:

 

1. Ordinaria extraordinarie! Feste GTO!!!

2. Alles aus Liebe, nichts aus Zwang!

3. Nicht immer kreisen um das eigene Leid, sondern um Christi Kreuz und Mariens 

    Herz.

4. Tägliche Bitte um Vermehrung der Demut und Liebe. "Das Gedemütigtwerden

    aus Liebe zunächst ertragen und durch Tugendakte zur Freudenquelle machen!"

5. In allem stets das große Ziel vor Augen halten: "Blütezeit der Kirche..."

 

So möchte ich aus großer dankbarer Liebe zur MTA in Beispielen das Wirken niederschreiben.

 

a) Meine Tagesordnung: Pünktlich beim Glockenzeichen 6 Uhr mit einem Stoßgebet aufgestanden. Morgenweihe und Morgengebet der PSM, hl. Meßopfer mit der hl. Kommunion in Sehnsucht im Kapellchen! - 7 Uhr Frühstück! Reinigung der Zelle, Betrachtung! 8 Uhr Inscriptio-Rosenkranz, eine halbe Stunde geistliche Lesung, anstatt des Breviers während des Vormittags drei Rosenkränze. 10.30 Uhr Morgengymnastik, 11.30 Uhr Mittagessen, Gebete der PSM. Bis 13.30 Uhr Ruhepause. Dann Armseelenrosenkranz! Eine halbe Stunde Anbetung im Kapellchen, ca. 15.30 Uhr. Im Verlauf des Nachmittags wieder drei Rosenkränze. 17.00 Uhr Abendessen, 18-19 Uhr Kreuzweg, 19.15 Uhr Komplet, 19.30 Uhr Abendgebet der PSM, 20.00 Uhr Nachtruhe mit Abendweihe. Nach Mitternacht eine Viertelstunde Anbetung. Überdies dreimal den Segen über alle und einzelne, außerdem Exorzismus und Stoßgebete und Lesungen.

 

b) Die Reinigung der Gefängniszelle, nicht weil Vorschrift, sondern freiwillig, aus Liebe, um ein Stücklein himmlischer Schönheit auf Erden zu haben. Meine Zelle - ein Symbol des Himmels.

 

c) Nicht widersprechen, wenn mir etwas von den Wachbeamten aufgetragen wird. Besonders nichts beschönigen, wenn ich scharf angefahren werde. Ich will wohl keinen Anlaß geben; aber, wenn doch, ob mit oder ohne Grund, der Beamte schimpft, so will ich es aus Liebe zur MTA ertragen. Im übrigen geschieht mir ja recht: Ich bin doch nur ein unnützer Knecht, ein Verbrecher, ein Schächer.

 

d) Die Hausordnung halte ich ganz genau ein, nicht weil sie von der Hausleitung angeordnet ist, sondern weil es die Hausordnung Gottes ist. Die Beamten sind von Gott dazu aufgestellt, um mich zu heiligen.

 

e) Vorgeschmack vom Fegefeuer und der Hölle: Die Gedanken und Erlebnisse: Nie ein freundliches Gesicht, nie eine fühlbare Liebe, immer nur harte Worte, wenn dies ewig so dauern würde; dann das Schreien mancher Gefangener, die mit der Einsamkeit und mit der Freiheitsberaubung, mit dem ständigen Schweigen, mit der kleinen Zelle usw. nicht fertig werden; zudem bei gewissen die seelische Not, die schwer auf ihren Herzen lastet, das Gefesseltsein der Todesverurteilten. Alles Symbole für die ewige allseitige Gerechtigkeit Gottes. Da bricht in mir oft großes Reuegefühl auf, noch mehr aber Dankbarkeit und Liebe zum allbarmherzigen Gott, zum Heiland und Erlöserherzen, zur Mutter der Barmherzigkeit.

Wie leicht ist doch mir in der kleinen Zelle, wo ich nur Gnade und Liebe von oben erfahre. Denn zutiefst im Herzen war ich immer ruhig! Besitze ich doch das Bewußtsein, ein ruhiges und gutes Gewissen vor dem dreifaltigen Gott zu haben. Denn der liebe Gott ist ein schlechter Rechner, so schrieb mir mein Vater ins Gefängnis: "Bereute Fehler vergißt Er, das Gute ist aber aufgeschrieben im Buche des Lebens."

 

f) Das Reichskriegsgericht ist nur der Ort, wo ich den strengen Richter erlebe. Das bald darauffolgende Reichsgottesgericht, so hoffe und vertraue ich, läßt mich die unendliche Liebe Gottes erleben. Hier schneide und brenne, aber schone meiner in der Ewigkeit. "Ja, nimm alles mir, was mich hindert zu Dir. Gib alles mir (auch Leid, Todesurteil und Strafe), was mich fördert zu Dir. Nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen Dir!" Amen.

 

g) Meine Intentionen beim hl. Opfer und Segen:

 

1. Eltern und Geschwister samt ihren Familien

2. die PSM, bes. Herz-Jesu-Provinz mit ihren Oberen!

3. P. Kent.(enich)

4. die ganze Sch.-Familie-Zentr.(ale)

5. im besonderen Sch.-Männer

6. S.(chönstatt)-Weltmission

7. S.-Anbetung samt der SAC!!!

8. S.-Diaspora

9. die sich mir anempfohlen haben

10. derer ich aus Liebe, Dankbarkeit oder Sühne gedenken soll

11. Deutschland

12. Österreich, bes. Tirol und Voralberg

13. Bekehrung der Sünder, bes. der Priesterseelen

14. Erlösung der armen Seelen, bes. der Priester

15. Alle Sterbenden, bes. die heute an allen Fronten sterben

16. Nach der Meinung des hl. Vaters u. für den hl. Vater

17. Nach der Meinung der MTA

18. drei stille Wünsche:

      - ein heiliges Priesterkind aus meiner nächsten Verwandschaft, das mich

        ersetzen soll.

      - einen Sch.-Priester in meiner Provinz, der mehr Erfolg haben soll.

      - Bewahrung meiner Brüder vor Ketzerei und Abfall.

 

h) So möchte ich das Loblieb auf die Gnadenführung und Fügung der lieben MTA schließen mit meinem PI (Persönlichen Ideal), das überall durchdrang: Liebe MTA, laß mich als liebeglühender Sch.-Apostel leben und sterben!

 

Ich glaube fest, daß die MTA und RTA (Regina Ter Admirabilis - Dreimal wunderbare Königin) am Gnadenort wirksam ist, diesen Ort beschützt und als Eigentum bewahrt. Ich glaube fest, daß die MTA und RTA von da aus in alle Welt Wunder der Gnaden wirkt und sich auf praktischem Weg den Ehrentitel vor aller Weltöffentlichkeit erobert: "Ich bin die allgemeine Gnadenmittlerin." Ja, sie ist der große Missionar, sie wird von hier aus universell fruchtbar sich erweisen. Ich glaube fest, daß von da aus die Blütezeit der Kirche in nächster Zeit mächtig gefördert wird durch Heranbildung vieler heiliger Seelen, die im Werktag des Lebens aus hochgradiger Gottesliebe ihre Pflicht erfüllen.

Möge so der Geist der Inscriptio cordium in cor Jesu et Mariae zum herrlichen Baume ausreifen, in dem die Vögel des Himmels sich einnisten können.

 

Mag kommen, was will:

MTA, tua res agitur!

Zeige Dich als Königin des Weltalls,

der alles unterworfen ist!

Nichts ohne Maria,

aber auch nichts ohne uns!

 

Der zum Tode geweihte und allzeit bereite Sch.-Apostel.

 

Nachtrag:

 

Mit dem Einberufungsbefehl ward mir klar: Will ich mein Vorhaben durchsetzen, dann habe ich als seelische Bereitung der MTA ein zweifaches Opfer zu bringen, was ich auch sofort brachte:

 

1. Abbruch jeder Privatkorrespondenz und -beziehungen, vor allem aus

    Klugheitsgründen.

2. Abbruch mit dem Zigarettenrauchen.

 

Die 25 Stück habe ich als letzte vor meinem Antritt in die Kaserne einem Soldaten verschenkt. - So ging ich seelisch frei u. unbeschwert in die Zukunft hinein. Die beiden Opfer haben sich reichlich gelohnt. Denn es geht ums Ganze, darum gehe ich auch aufs Ganze! Alles Gnade, Gnade, Gnade!!! Auf meinem Primizbildchen steht: "Durch die Gnaden Gottes bin ich, was ich bin." Und das wiederhole ich zum Lobpreis Gottes!

 

Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, 5. Juli 1942

Gedanken zur Hauptverhandlung

 

Gelobt sei Jesus und Maria! Hochgelobt und angebetet sei ohne End, Jesus im allerheiligsten Altarsakrament!

Hier knie ich vor Dir, Du unendlich höchstes Gut, göttlicher Heiland, guter Hirte, angetan mit den Fesseln Deiner Liebe, als zum Tode Verurteilter.

 

I. Heute mittag (7.7.42) vor 8 Tagen hat das Reichkriegsgericht auf Erden mich zum Tode für reif erklärt. Welchen Eindruck machte dieses Urteil auf mich?

 

  1. Zunächst erkannte ich die große menschliche Begrenztheit und die Notwendigkeit einer göttlichen Gerechtigkeit, die noch zu erwarten ist.
  2. Ferner die innere, ganz große Freude, die mich nach der Sitzung bis abends erfaßte, nämlich einen gewaltigen Schritt näher gekommen zu sein der Annahme als Schlachtopfer der Liebe für das große Werk der MTA
  3. Die innerliche Unbeschwertheit gegenüber dem Gedanken: Was wäre, wenn ich ein schuldhaftes Gewissen hätte? Es wäre furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen, wenn schon irdische Gerichte so furchtbar hart und streng urteilen und verurteilen.
  4. Gerade hier, in dieser Stadt, darf ich zur Fackel der Liebe und des Friedens werden, die nun in die weite Welt hinausgeschleudert wird, um ein Flammenmeer der Herz-Jesu- und Herz-Mariae-Liebe zu entfachen. In dieser Stadt, von wo aus die Fackel des Hasses und des Völkerkrieges in die Welt hinausgeschleudert wurde.
  5. Am Nachmittag, bei der Heimfahrt zum W.U.G. (Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis), begann es wolkenbruchartig zu regnen und zu schütten, und ein senkrechter, hellleuchtender Blitz fuhr zur Stadt hinab. Da kam mir der Gedanke: Möge doch heute der Erzengel Michael als Ritter Mariens den Satan erneut niedergeworfen und bezwungen haben, der gerade in unseren Tagen so maßlos wütet. Denn ich trage die feste Überzeugung in mir, daß Christus, der Weltenkönig und Hohepriester, wie die MTA, nicht ohne weiteres einen Gesalbten des Herrn von irdischer Macht überwinden läßt, wenn er aus gesunder Abwehr heraus ein kraftvolles Nein spricht zu einer Treueforderung, die er persönlich überhaupt nicht und nicht vorbehaltlos leisten kann.

a) Ich erkenne die gegenwärtige Staatsführung nicht an.

b) Und wenn auch Anerkennung, dann nicht ohne Vorbehalt.

 

Möge diese sieghafte Entscheidung für Christus den König durch die MTA-Fürbittgewalt überaus segensreich werden für das große Werk: Die Aufrichtung und Ausbreitung des marianischen Christkönigreiches in der ganzen Welt.

 

Ein zweiter Gedanke: die Fesseln!

 

I. Die Fessel habe ich als Gnadengeschenk in aufrichtiger Gehobenheit der Seele geküßt. Nun bin ich im wahren Sinne ein gefesselter, ein Gefangener, ein Sklave Mariens Tag und Nacht.

 

  1. Symbolhaft geben mir die Fesseln eine tiefe innere Freude. Es ist das Zeichen des restlosen Ausgeliefertseins an Gott, an Christus, an die MTA.
  2. Wie eine gute Mutter zum Gebet die Hände falten hilft, so die gute MTA mir zum immerwährenden Wandel in der Gegenwart Gottes, der - wie ich freudig erhoffe - bald zum Ewigkeitszustand werden möge.
  3. Die Fesseln sind ferner ein ständiger Mahnruf zur Buße, zur Sühne für all die Sünden und Fehler, die ich begangen habe gegen das Gesetz: Äußere Unberührtheit und innere Unbefangenheit.
  4. Die Fesseln sind weiter ein flehender Anruf, ich möchte doch mithelfen, die Fesseln unbeherrschter Leidenschaften und unerlaubter erbsündhafter Gebundenheit vieler gottgeweihter Personen zu sprengen durch freiwillige Sühneleistung beim Tragen derselben. Auch will ich hier nicht vergessen: Die Ehe und Jungfräulichkeit, die heute so sehr getreten und zertreten wird.
  5. Die Fesseln sind ein freudiger Aufruf: zur Liebe, zur Gottverbundenheit im Sinne des Weltapostolates! Möchten doch viele, viele Seelen für Christus den König und Maria, die Königin, gewonnen werden. So sei es: Servus Mariae nunquam peribit! (Ein Diener Mariens geht nie zugrunde!)

 

II. Es gibt nichts im Plane der göttlichen Vorsehung, was nicht bei gutem Willen der Seele ihr zum besten gereichen muß.

So ist das Todesurteil samt Verlust der bürgerlichen Rechte und der Wehrwürdigkeit durch das Reichskriegsgericht nichts anderes als eine herrlich ernstfrohe Vorbereitung auf das kommende Reichsgottesgericht! So bitte und flehe ich zu Dir, o Herrin und Königin, Mutter und Fürsprecherin, bereite Du nun meine Seele, damit ich in diesen wenigen Tagen des irdischen Pilgerlebens ganz umgeformt werde in ein würdiges Ebenbild und Abbild des dreifaltigen Gottes.

Jesus Christus, Hoherpriester, tritt Du ein in mein Leben und sei  mein Leben! Dann ist Sterben mein Gewinn! Amen.

 

Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, 15. Juli 1942

Heute, am Feste Mariens zum heiligen Skapulier, da ist es für mich ein aufrichtiges Bedürfnis, ganz mich der dreimal wunderbaren Jungfrau - Mutter - Königin zu überlassen und feinhörig zu lauschen, was sie mir heute sagt.

 

  1. Nicht allzusehr mich noch mit dem unmittelbar Vergangenen beschäftigen. Mehr kreisen um Jesus und Maria!
  2. Mehr an den Himmel denken und an die zu erwartenden Freuden.
  3. Heute vierundzwanzig Stunden wieder heroisch: Alles aus Liebe.
  4. Als Vorbereitung auf das kommende Reichsgottesgericht (nach dem Tode) Ablegung einer guten Generalbeichte. Reichsherzensgericht. Denn je mehr ich jetzt noch auf Erden in alle Winkel meines Herzens unbarmherzig und rücksichtslos hineinleuchte und alles Unreine entferne, umso schöner wird mein hochzeitliches Gewand für das himmlische Gastmahl, umso reicher werden die anvertrauten Talente bei der Wiederkunft des Herrn sein, umso bereiter ist der wachsame Knecht, jederzeit den Herrn zu erwarten, wenn er von seiner Hochzeitsreise zurückkehrt (Luk. 12.35)!!!, umso gnädiger wird auch das Urteil des allerhöchsten Gerichtes werden. So, hilf mir, gute MTA, zu einer aufrichtigen allseitigen Generalbeichte.

 

Soeben gerufen worden!

 

13 Uhr: Mitteilung, daß der Antrag*) auf Entfesselung genehmigt wurde. Die eisernen Fesseln sind gefallen. Umsomehr müssen jetzt doch die seelischen, d.h. (sündhaften und fehlerhaften) Fesseln in der Generalbeichte fallen. Dann ist der Weg frei hin zu Dir, o dreifaltiger Gott, zu Dir, o guter Hirte und Heiland, Hoherpriester und König meines Herzens, zu Dir, o meine gute liebe dreimal wunderbare Jungfrau - Mutter - Königin. Komm, Herr Jesus, bald!

 

*) Antrag auf Entfesselung habe ich gestellt, weil ich dazu aufgefordert wurde, jedoch mit der seelischen Einstellung: MTA, wenn ich Gott und Dir und den Seelen mehr diene: mit den Fesseln, dann verhärte den Sinn des Vorgesetzten, wenn aber mehr ohne Fesseln, dann lasse den Antrag genehmigen, wie es Dir, o Mutter, gefällt. Heute ist der 9. Tag! (Eine schöne und frohe Novene der Liebe war es wohl!)

 

So will ich nun umso mehr geistig-seelisch mich binden, fesseln in Liebe an Dich, o gute Mutter und Königin von Schönstatt.

Aus Dankbarkeit will ich es festhalten, daß die liebe MTA mich in außergewöhnlicher Liebe umsorgt. Das "MHC" ("Mater habebit curam!" - "Die Mutter wird Sorge tragen!") wirkt Wunder zur seelischen Bereitschaft.

 

Am Erinnerungstag meiner Priesterweihe, 29. Juni, wurde der Haupttermin für die Hauptverhandlung festgelegt. Die Mitteilung wurde mir am 2. Juli ausgehändigt: Tag Mariae Heimsuchung! Vormittags wurde ich gerufen und mußte zur Poststelle. Die irdische-leibliche Mutter hat mich heimgesucht durch ein kleines Päckchen, inniges Vergelt's Gott! Mittags 13:00 Uhr wurde ich abermals gerufen, und da wurde mir die Mitteilung des Haupttermins überreicht. Das war die Heimsuchung der himmlischen Mutter, da dachte ich an P. K. , als er in einem Vortrag so schön sagte: Sollten wir begnadete und vom Hl. Geiste erfüllte Menschen werden, dann müssen wir von Maria, der Christusträgerin, wie einstens die Base Elisabeth zuerst gegrüßt werden.

 

Mit diesem Gedanken war ich nun froh eingestimmt auf die kommende Hauptverhandlung, die ja nur das Todesurteil bringen konnte. Und so war es auch. Rückblickend war es wirklich ein sichtbares Eingreifen der MTA gewesen. Bei der Hauptverhandlung war ich unter vorausgegangener Anrufung des hl. Erzengels Michael und der guten MTA auffallend ruhig, sicher und entschlossen. Hatte eine feste und klare Stimme: "Man warf mir vor: Ich bin stolz!" Ich durfte nur wenig reden. Einige Ergänzungen zum Personalen. Zum Sachverhalt sprach ich wenig, aber wohl drei entscheidungsvolle Sätze:

 

"Von einer Regierung, die ich nicht anerkenne, lasse ich mir keine Befehle erteilen." -

 

"Das ist die Doppelzüngigkeit der jetzigen Regierung, auf der einen Seite macht sie durch die Gestapo die Priester unmöglich, und auf der anderen Seite sollen sie wieder ihren Mann stellen."

 

Ich wurde dann ununterbrochen heruntergekanzelt. All meine Gedanken, die ich zu Hause noch glaubte anbringen zu müssen, fielen unter den Tisch...Mein Schlußwort:

 

"Auf Grund der vorausgegangenen Ausführungen des Präsidenten erkläre ich:

 

Nein, ich werde nicht den Treueid leisten!"

 

Daraufhin folgte das Todesurteil. Noch während der Beratung flehte ich zur MTA: "Nimm mich als Liebesopfer an, wenn es Dir gefällt." Wie freute ich mich, als es geglückt war. MTA, immer näher zu Dir! Dein Kind!

 

Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, 16. Juli 1942

Gehorsam

 

Der MTA gegenüber bin ich im Gewissen schwer verpflichtet, wie schon öfters, jetzt endgültig die Frage zu beantworten: Ist die Verweigerung des Treueides, trotzdem die höheren Obern die Leistung desselben verlangen, ein Akt des Ungehorsams?

 

  1. Grundsätzlich:

Habe ich als Katholik, a fortiori als Pallottinerpriester, die schwere Pflicht, den Fahneneid zu leisten, wegen des 4. und 5. Gebotes, wenn das Vaterland bedroht ist, ferner weil ein schwerer Schaden für die Kirche und Gesellschaft entstehen könnte.

 

       2. In concreto: in hoc casu? (Konkret, in diesem Fall?)

 

Wenn ich den Fahneneid nicht leiste, so müssen ganz schwere Gründe dafür vorhanden sein. Ist dies bei mir der Fall?

 

a) Als Österreicher betrachte ich die Besetzung Österreichs am 11.3.38 als einen Akt der Gewalt und nicht des Rechts. Die am 13.3. erfolgte Erklärung der Annexion, das Schreiben der Bischöfe, die Abstimmung des Volkes haben für meinen Wissensentscheid keinen Einfluß mehr. Somit besteht für mich ein Interimszustand. Nicht Begeisterung, sondern Bekenntnis lautet die Parole. [Dasselbe könnte ich als Reichsdeutscher geltend machen, wenn die gewaltsame - freie Selbstauflösung der Parteien (vor allem Zentrum und Bayr. Volkspartei) 1933 hier in Frage gestellt würde.]

Ich unterscheide daher das Faktum der Annexion und die Regierung. Schon jahrhundertelang war Österreich und das deutsche Reich eine große Einheit. Daher hätte ich keine großen Bedenken, die Annexion als solche anzuerkennen! Da aber mit der Annexion die national-bolschewistische Weltanschauung das Aufbauwerk der die kath. Religion fördernden Regierung Österreichs zerschlagen hat und weiterhin noch beseitigt, daher gibt es für mich als kath. Priester keine Anerkennung der gegenwärtigen Regierung.

 

b) Und angenommen, ich würde die Regierung anerkennen, in punkto Annexion, so kann ich noch lange nicht den Treueid leisten, weil zu schwere Vorbehalte dabei gemacht werden müßten.

Z.B. Nicht-Annahme: der NS-Weltanschauung, der naturwidrigen Gesetze, z.B. Mord, Beseitigung der Geistesschwachen, Sterilisation, Schulgesetze etc.

Und ich bin nicht im Gehorsam verpflichtet, solche schweren Vorbehalte machen zu müssen. Darum lieber Notwehr und Verteidigung des Treueeides. Hier Christus - - - dort Belial! 

 

Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, 17. Juli 1942

Fortsetzung: Gehorsam

 

Was bisher angeführt wurde, ist hauptsächlich der politische Grund gewesen, denn dieser mag am ehesten dem Vorwurf begegnen können: daß ich den höheren Obern ungehorsam sei. Es ist somit eindeutig klar die Frage zu stellen: Kann mich der höhere Obere verpflichten,

 

  1. das Staatsoberhaupt samt Regierung anzuerkennen, wenn mein Heimatland durch Gewalt von ihm geraubt wurde? Habe ich kein Recht, mindestens einige Jahre zuzuwarten, bis die Entwicklung der Zeit es erwünscht? So macht es doch Rom mit der Angleichung der Diözesen an neue politische Grenzen.
  2. Kann mich der höhere Obere im Gehorsam verpflichten -- angenommen die Anerkennung des neuen Staatsoberhauptes - ohne Vorbehalt den Treueid zu leisten? Dies wäre in unserem konkreten Fall einfach unmöglich.
  3. Mit Vorbehalt? Hier dürfte doch eine gewisse Zurückhaltung der Forderung des Gehorsams sein und mehr Spielraum der Freiheit des Gewissens.

 

Der Vorwurf: Irriges Gewissen riecht nach Ketzerei und nach Ungehorsam! Darum sträubt sich mein ganzes Innere gegen die Ausführungen am 20. April. "Dimissio" ("Entlassung")  war klug und ich habe sie selbst angeraten. (Brief) Aber den Vorwurf: Irriges Gewissen und Ungehorsam muß ich aus Liebe zu Sch. und der MTA ganz entschieden entkräften. Es könnte höchstens von einem dringenden Rat der höheren Obern die Rede sein. Somit ist hier entscheidend: Die Führung und der Wille Gottes. Mögen andere den Treueid leisten; das ist nicht für mich bindend und verpflichtend. Ich muß einen solchen schweren sittlichen Akt aus Überzeugung tätigen können. Der Befehl, gegen meine Überzeugung zu handeln, würde mich besonders in der gegenwärtigen Zeit charakterlich schwer gefährden. Überdies kann ich verstehen das große Kreuz für die Obern, wenn Gott selbst in seiner Führung der Seelen unverständlich für sie wird. "Wußtet Ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist!"

Ich erkenne durch die lange, lange Zeit der vorausgegangenen Prüfungen und Erprobungen, daß ich im Gehorsam Gott gegenüber zum Wohl der Kirche und der PSM diesen einmal eingeschlagenen Weg zu Ende gehen muß. Darum: M.H.C.

 

Lebensrückblick

 

(Erinnerungen und Danksagungen!)

 

In Gegenwart des eucharistischen Heilandes und im Hinblick auf mein baldiges Lebensende will ich unter den Augen der guten MTA auf ausdrücklichen Wunsch des priesterlichen Schutzengels (Anm.: Heinrich Kreutzberg, Gefängnispfarrer) einige Rückblicke, Rückerwägungen anstellen; denn dies soll mich umso mehr wachsen lassen in meiner dankbaren Liebe zu den Erbarmungen Gottes trotz meiner unübersehbaren eigenen Erbärmlichkeiten. So möchte ich anfangs das schlichte Lied von den Lippen der lb. Gottesmutter ablauschen und kindlich dankbar nachbeten: "Magnificat anima mea Dominum!"

Ja, liebe Jungfrau-Mutter-Königin, heute möchte ich aus ganz frohem Herzen mit ausgebreiteten Armen Dir zueilen und selig frohlockend einem kleinen Kinde gleich von Deinen lieben Mutterhänden emporgehoben werden und in stiller Glückseligkeit an Deinem Mutterherzen ausruhen. Ja, laß mich plaudern und plappern von all dem, was ich erlebt in jüngster Zeit, um ein klein wenig auch zurückzuschauen in die Vergangenheit meines Lebens. Du weißt, o Mutter, daß ich vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt bin. Du hast gestern schauen dürfen, wie Dein Kind vor dem eigenen Reichsherzensgericht rückhaltlos Abrechnung hielt. So bleibt nur noch eines übrig, daß Du, gute Mutter, mich nun hinführen mögest zum Reichsgottesgericht.

 

  1. Kriegsgericht für das deutsche Reich
  2. Herzensgericht für das innere Reich
  3. Gottesgericht für das Himmelreich

 

Wenn ich deshalb in meine Vergangenheit zurückblicke, um Deiner Liebe nachzuspüren, so tue ich es, um das notwendige u. unerschütterliche Vertrauen zu Dir zu vermehren für den Augenblick, wo es gilt, endgültig für Zeit und Ewigkeit die Letztentscheidung zu tätigen für Christus den König, Deinen göttlichen Bräutigam und Sohn.

 

"Ein Bild ist mir ins Herz gegraben,

ein Bild so schön und wundermild,

ein Sinnbild aller guten Gaben,

es ist der Gottesmutter Bild;

in guten wie in bösen Tagen,

will ich dies Bild im Herzen tragen!"

 

Schon anfangs möchte ich bekennen: In meinem Leben ist alles, alles Gnade, was Gutes ich erlebte und getan. "Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin!" Immaculata, Du hell leuchtender Stern in meinem Kindes-, Priester- und Schönstattleben, schütze Dein Kind auch jetzt in der Stunde meines Absterbens. Jesus - Maria - Josef, steh mir bei! Hl. kleine Theresia, Patronin der Priester, Du duftendes Röslein in meinem Priesterleben, bitte für mich.

 

 

I. Allgemeines!

 

1. Einen großen Wert legte ich während meines Lebens auf die Tage, und zwar irreflexiv. Schönstatt mit dem Ex.-Kurs über marian.-liturg. Werktagsheiligkeit ließ mich reflexiv erkennen, daß jede Stunde, jeder Tag, jede Woche und jeder Monat wie jedes Jahr durch das Hineingezogensein in das kirchliche Gnadenleben ihre und seine besondere Gnade hat. Denn alles ist ja geweiht, geheiligt: Raum wie Zeit. Darum ist es ein Zeichen eines gesunden katholischen Sinnes, wenn man der Gnade nachtastet, die an einem bestimmten Tag zu erwarten ist. Ganz besonders legte ich Wert auf die Tage, die der lb. Gottesmutter geweiht sind. Denn da ist alles ein lieber Gruß, ein liebes Zeichen von der Himmelsmutter. Ferner besondere Festtage: wie kl. hl. Theresia, v. K. J., 29. Juni = Papsttreue - Priesterweihe usw.

 

2. In der Namen-Jesu-Litanei steht am Schluß der Oration, worin der Heiland oder Jesu Christi - der Hl. Geist einen Grundsatz der Seelenführung angibt, der in schweren Augenblicken des Lebens, besonders wenn man allein steht, einen Rettungsanker bedeutet. Darin heißt es: Daß Du, o Jesus, Deine Leitung niemals denen entziehst, die Du in der Festigkeit Deiner Liebe erziehst.

 

3. In meinem Leben stand eine dreifache (organisch gesehen ist es ein und dieselbe) religiös übernatürliche Liebe als Ausdruck einer gesunden kath. Erziehung im Vordergrund!

 

a) Zu Jesus im allerheiligsten Altarsakkrament und Maria als Immaculata.

 

b) zu den Heiligen: Theresia v. K. J., V. Pallotti und Namenspatron Franz Xaver.

 

c) Zum hl. Vater in Rom, vor allem auch in persönlicher Zuneigung zu Pius XI.

 

Das gab die Grundlage für ein frohes Verständnis und eine gemüthafte Ergriffenheit bis zur Lebenshingabe zur MTA, z. Sch. Welt und Werk.

 

4. Endlich ist meine Naturanlage melancholisch-cholerisch bestimmt und mit einem starken Zug darin zur Ganzheit. Darin lag und liegt meine Stärke und Schwäche zugleich. Ein Ideal, das ich klar erkannte, wollte ich auch radikal verwirklichen. Und an der Unerreichbarkeit eines aufleuchtenden Ideals scheiterte mein Streben so oft, so daß ich den Mut sinken ließ und alles laufen ließ. Nur eines blieb zurück: die Sehnsucht: Ich übersah, daß die Hauptarbeit Gott und ich die Mitarbeit zu leisten habe. Und dieser Dreh von der Ichhaftigkeit zur Gotthaftigkeit konnte nur in der jetzigen schweren Prüfung möglich werden.

 

Maria und Franz Reinisch - Foto: Privat

II. Im Einzelnen

 

So will ich in Gottes Namen zur Verherrlichung Jesu und Mariae einzelne, für mein Leben entscheidende Augenblicke, Erlebnisse und Fügungen erzählen.

 

1. Der lb. Gott hat mir ein tiefgläubiges Elternpaar geschenkt. Der Papa sanguinisch-cholerisch, die Mutter melancholisch-cholerisch. Das zeigt sich bereits in der Anrede: Papa - Mutter. Dieser Ehe schenkte Gott fünf Kinder, zwei Buben und drei Mädchen. Ich selbst komme nach meinem ältesten Bruder. Die Mutter sagte mir oft, daß ich ein Sonntagskind sei: 1.2.1903 in Levis-Feldkirch geboren. Mein Tauftag war der 2.2. Mariae Lichtmeß. An dem Tage haben die lb. Eltern mich der lieben Gottesmutter geweiht. Es vergingen kaum acht Wochen, dann wurde Papa nach Südtirol, nach Bozen, versetzt. Drei Jahre später nach Bruneck und dann 1908 endgültig nach Innsbruck.

 

2. Papst Pius X. erließ das berühmte Kommuniondekret. Meine Eltern legten in ihrer großen Liebe zum hl. Vater Wert darauf, in ihrer Familie das Dekret durchzuführen. Da beide Eltern Mitglieder des dritten Ordens des hl. Franziskus sind, so war die Anleitung von dieser Seite her umso einflußreicher gewesen. Mit 8 Jahren, wie auch jeweils die anderen Geschwister, durfte ich zur ersten hl. Kommunion gehen. Von da ab führte mich die Mutter sehr häufig zur hl. Messe und ließ mich den göttlichen Kinderfreund empfangen.

Silberhochzeit der Eltern (30.06.1925) - Foto: Privat

3. Ich hing in meinen Kindheitstagen mit tiefer Verehrung und Liebe an meiner lieben Mutter. Besonders freute ich mich, wenn Mutter mich zu den herrlichen Maiandachten in die Jesuitenkirche mitnahm. Da wuchs in mir eine ganz große Marienliebe, die mich zu stillen Betrachtungen drängte. Gerne sammelte ich Heiligenbildchen. Beim Anblick des Kreuzweges konnte ich einen Zorn bekommen auf die bösen Menschen, die den lieben Heiland so grausam quälten, und aus Mitleid bitterlich weinen, wenn ich Jesus und Maria auf dem Kreuzweg innerlich begleitete. Doch eines hatte ich immer in mir, meine Gefühle nicht nach außen zu zeigen. So zog ich mich zu solchen Betrachtungen zurück oder hielt dieselben, wenn niemand zuhause war.

Hochzeit des Bruders (1.03.1930) - Foto: Privat

4. Es folgte die Gymnasialzeit 1914-1922, die ich in Hall in Tirol verbrachte bei den P. P. Franziskanern. Ich hing mit großer Ehrfurcht an meinem älteren Bruder, der ein Franziskanerpater werden wollte, aber nicht geworden ist. Ich wollte auch dasselbe werden, weil es mein Bruder werden wollte. Mit dem Entscheid meines Bruders, das Priestertum nicht zu erstreben, war auch für mich die Frage entschieden. Vom 5. Jahrgang bis Ende der Gymnasialzeit lebte ich außerhalb des Konviktes der O.F.M. (Ordo Fratrum Minorum - Orden der Minderen Brüder, Bezeichnung des Franziskanerordens). Doch eines blieb in mir wach, die Liebe zur mar. Studentenkongregation und damit zur lb. Gottesmutter und zum eucharistischen Heiland.

Franz Reinisch, der Jura-Student (28.09.1922) - Foto: Privat

 5. Mein Bruder studierte Jura. Weil die Zeiten damals (1922) aufgewühlt waren, konnte ich aus finanziellen Gründen meiner Neigung zur Technik nicht folgen und belegte daher auch Jura.

Im März 1923 kam Dr. Schuschnigg (Anm: Kurt Alois Josef Johann Schuschnigg, 29. Juli 1934 bis 11. März 1938 Bundeskanzler des Bundesstaates Österreich) mit einem Angebot zu vierwöchigen Exerzitien in Wyhlen b/Basel (Himmelspforte) unter der Leitung des Pater Dunin-Barkowski SJ. für Jungakademiker. Er meinte, wenn es mir nicht gefiele, könnte ich ja abreisen. Es sei kostenlos. Ich griff zu. Und diese Exerzitien wurden für meine folgende Entwicklung entscheidend. 1923 war die Inflation in Deutschland, und so konnte ich mit österreichischer Währung etwas anfangen. Ich entschloß mich kurzerhand, das folgende Semester in Kiel zu belegen. Dort beginnt in mir ein heißes seelisches Ringen. Ich sah das religiös-sittliche Elend dieser Hafengroßstadt mit den Augen der vierwöchentlichen Exerzitien an. Da brach in mir die Sehnsucht auf: Für Christus den König Seelen zu gewinnen.

Vater Franz Reinisch (M.) in Rom

Juli 1923 kehrte ich nach Hause zurück mit dem Entschluß, Priester zu werden. - Doch große Entscheidungen wollte ich nicht ohne den Rat Papas durchführen. Papa hatte in solchen Fragen stets mein restloses Vertrauen besessen. Als ich 16 Jahre alt war, kam ich mit der Frage nach Hause, die mir Gassenjungen aufgedrängt haben: Mutter, gibt es außer ledigen Kindern auch verheiratete Kinder? - Warum frägst Du so? Ja, weil mich die Kollegen ausgelacht haben, daß ich nicht wüßte, was "ledig" bedeute. - Mutter verwies mich an den Papa. Und mein Bruder wie ich erlebten nun einen Abend mit Papa - Mutter und Schwester gingen schlafen -, wie ich ihn nie vergessen werde. Von da ab kam ich aus dankbarem Vertrauen, weil Papa uns das Lebensgeheimnis so schön erklärte, mit allen Schwierigkeiten zu ihm. So auch jetzt wieder mit dem Berufswechsel. Papa erklärte kurzweg: Wenn mir das Studium der Theologie keine Freude mehr machen würde, könne ich jederzeit zur Jura zurück. Er lege mir nichts in den Weg. - Das erste, was ich tat, war der Abbruch jeder Beziehung zu einem Mädchen, das ich ein und ein halbes Jahr verehrte. Ich blieb entschlossen trotz furchtbarstem Schmerz der ehemals Verehrten. Was aus ihr weiterhin geworden, entzieht sich meiner Kenntnis.

Ein Jesuitenpater, den ich in meiner Berufsangelegenheit auch befrug, meinte: Es wäre besser, zunächst zwei Jahre schol. Philosophie in Innsbruck zu belegen, dann ist genügend Zeit zur Klärung des Berufes gegeben. Nach diesen vier Semestern ging ich nach Brixen ins Priesterseminar.

Fr. Weickgenannt SAC

6. Brixen war eine herrliche Zeit. Überdies waren 1925 - 1926 in meinem ersten Jahre auch Pallottiner-fratres dort, worunter ein Fr. Weickgenannt mir besonders zusagte, weil er auch farbentragender Hochschulstudent war wie ich zu meiner Zeit der Universität. Mit diesem korrespondierte ich auch weiter, nachdem sie weggezogen waren.

1926 zu Weihnachten fuhr ich nach Rom: Aloysius-Jubiläumsjahr. Dort erlebte ich die ganze Hingabe an den hl. Vater Pius XI. Seitdem ist mir das Geheimnis Petri ein Lieblingsgeheimnis geworden.

In diesem zweiten Theologiejahre habe ich die Biographie der kl. hl. Theresia von meiner Mutter geschenkt bekommen, die 1927 bei ihrer schweren Brustoperation durch die kleine Theresia sofort wunderbar geheilt worden war. Ich gewann dieses Leben von Tag zu Tag lieber. Umsomehr, als ich erfuhr, daß die kleine Heilige der Stern über dem Pontificat Pius XI. sei.

Franz Reinisch in Brixen (25.10.1927)

Doch der endgültige Entschluß zum Priestertum wurde mir von Tag zu Tag schwerer, je näher die Entscheidung an mich herankam. Ich bat den Vorstand des Seminars, mir die niederen Weihen erst ein Jahr später geben zu lassen. Vielleicht bin ich dann klarer. Es begann das dritte Jahr Theologie. Ich nahm die niederen Weihen an. Doch das Subdiakonat stand wie eine unerfüllbare Forderung vor meiner Seele. Die vorbehaltlose Hingabe auf Lebenszeit, auf ewig, das schien mir zu schwer. Ich war nahe daran, auszutreten. Anfangs April 1928 wurde es auf einmal ruhig und klar in mir. Der Entschluß, am 13. Mai 1928 die Subdianonatsweihe empfangen zu wollen, stand nun fest. Es wurde viel für mich gebetet. Mitte April schrieb mir Papa einen Brief: Mutter mußte sich anfangs April einer schweren Halsoperation unterziehen. Sie habe alle Schmerzen für deine Berufsklärung aufgeopfert. Sie lag ohne Betäubung eine gute Stunde auf dem Operationstisch. Hoffentlich ist sie bald wieder hergestellt. Wahrlich, eine Mutter muß doch einen Priestersohn erbeten und eropfern. Und was Gott und die lb. Gottesmutter einmal begonnen, das setzen sie siegreich fort und führen es auch siegreich zu Ende. Am 13. Mai 1928 empfing ich zu meiner größten Freude unter Beisein meiner lieben Eltern die Subdiakonatsweihe. Als ich später vom Gnadenort Fatima erfuhr, da freute ich mich doppelt über diesen Tag.

Subdiakonatsweihe (13.05.1928)

7. Nun war der Weg frei hin zum Altar. Die Consecration zum "sacerdos secundum ordinem Melchisedech in aeternum" (Die Weihe zum Priester nach der Ordnung des Melchisedech in Ewigkeit) erteilte mir der Bischof Dr. Waitz Sigismund in Innsbruck, Stadtpfarrei St. Jakob, am 29. Juni 1928, Fest Peter und Paul, in der das Gnadenbild "Maria Hilf" v. Lukas Kranach den Hochaltar schmückt. Marienliebe und Papsttreue gelobte ich dem Hohenpriester Jesus Christus an diesem Tage zum Danke für die überaus große Gnade, als Mittler zwischen Gott und Menschen bestellt worden zu sein. 

Gnadenbild "Maria Hilf" von Lukas Kranach

An diesem Tage, in einer trauten Stunde, machte mir die lb. Mutter ein herrliches Primizgeschenk in einem Geständnis: "In Bozen war es, 1903 Fronleichnams-fest. Du warst kein halbes Jahr alt; als das Allerheiligste durch die Straßen getragen wurde, stand ich mit dem Kinderwagen am Wegrand. Wie nun der göttliche Heiland an uns vorbeikam, nahm ich dich aus dem Wäglein heraus und hob dich empor und sagte: Lieber Heiland, wenn Du dieses Kind zum Priester machen willst, ich schenke es Dir von Herzen. Ich schwieg und trug es als Geheimnis in meinem Herzen. Ich wollte nicht dich zum Priester zwingen. So ist nun für mich der heutige Tag eine ganz große Freude, daß der lb. Heiland mein Angebot damals angenommen hat. Werde nun ein würdiger Diener des Herrn. Ich werde von jetzt ab noch mehr für dich beten und opfern als bisher."

Primiz (1. 07.1928)

8. Am 1. Juli, Fest des kostbaren Blutes, durfte ich sprechen: "Introibo ad altare Dei, ad Deum qui laetificat juventutem meam" ("Dort darf ich zum Altare Gottes treten, zu Gott, Der mich erfreut von Jugend auf"). Die Primiz fand in der Pfarr-kirche Wilten Innsbruck statt. Sie ist eine Wallfahrtskirche zu "unserer lieben Frau unter den vier Säulen". Mutter erzählte früher uns Kindern öfters, wie sie Papa kennengelernt habe. Sie habe ihn in der Wiltener Pfarrkirche als Universitätsstudent öfters gesehen, wie er hinter dem Hochaltar zum Gnadenbild hochstiegt und dort betete. Papa wollte auch einmal Priester werden. Aber es fehlten ihm die Mittel dazu. Das Gnadenbild thront als Hausaltärchen beim Eingang in die Wohnung, wo Mutter ständig eine Öllampe brennen läßt. Papa verrichtet täglich sein persönliches Morgen- und Abendgebet davor, sodaß ich mich stets daran erbaute. Und an diesem Gnadenaltar durfte ich mein Erstlingsopfer darbringen zur größten Freude Papas.

Primiz (1.07.1928)

9. Zur Primiz erhielt ich von P. Weick-genannt, PSM, der inzwischen in Nordamerika wirkte, einen Brief, worin er am Schlusse nebenbei den Satz schrieb: "Es würde mich freuen, Dich als Mitbruder einmal begrüßen zu können." Ich machte als Primizreise die Fahrt nach Lourdes und Lisieux, um der lb. Immaculata und der kl. hl. Theresia für die vielen Gnaden zu danken. Und auf dieser Reise begann dieser Satz des P. Weickgenannt in mir zu arbeiten.

Der junge Priester Franz Reinisch

10. Am 3. Nov. 1928 trat ich als Priesternovize in die Gesellschaft PSM ein. Als Theologe und Weltpriester durfte ich doch gewisse Freiheiten haben, die nun aufhörten. Ich kam abends 20.00 Uhr an. Die Novizen schauten und staunten im hl. Interesse (od. Neugierde) "das lange Elend" an. In ihrer Liebe haben sie mir die neue Behausung ausgeweißelt und sind kurz vor meiner Ankunft erst fertig geworden. Nachdem ich von P. Novizenmeister freundlichst empfangen wurde und zu Abend gegessen hatte, führte er mich hinauf in den 3. Stock in die Zelle. Bett, Tisch, Stuhl, Kruzifix, Eisenofen und mein Koffer. Das war das Inventar und Mobiliar. Darüber hinaus war die Decke ganz voll von Nachtfliegen, die durch die Feuchtigkeit des neu ausgeweißelten Zimmers beim offenen Fenster hereinkamen. Doch die Armut konnte mir nicht viel Schmerzen bereiten. P. Novizenmeister bat ich, auf den Stuhl sich zu setzen, und ich nahm Platz auf meinem Koffer.

Lourdes-Grotte in Untermerzbach - Foto: Ursula Kowalski

"Hochwürden", sagte ich in meiner Tirolerart, "wir wollen doch zum Einstand zusammen eine Zigarette rauchen." "Würden Sie so gut sein und mir alle Rauchwaren abgeben, da es leider bei uns im Noviziat nicht gestattet ist", war die Antwort. Ich glaubte, es hat mich der Blitz getroffen. Nach kurzer Unter-haltung und nach Abgabe aller Zigaretten (150) ging ich todmüde von der Reise und erschlagen von dem Schrecken zur Ruhe. Ich wachte erst morgens nach tiefem Schlafe auf, und die Zelle war inzwischen trocken und vollkommen frei von den Nachtfliegen. Nun begann in mir die Leidenschaft des Rauchers Leiden zu schaffen. Nach dreiwöchentlichem Kampfe glaubte ich, austreten zu müssen. Da ich mich aber schämte, deswegen offiziell Abschied zu nehmen, sann ich auf Flucht. Das Noviziat und der große Park wird von einer zwei Meter hohen Mauer umgeben. Der Plan und die Stelle, wo ich überspringen werde, war fertig. Abends 6 Uhr war es schon dunkel. Ich ging durch den Park. Der erste Sprung mißglückte. Innerlich vernahm ich "bleibe". Ich ging nochmals um den Park. Als ich zur Lourdesgrotte kam, begann ich seelisch zu bluten und äußerlich zu weinen. Und der Kampf war entschieden. Ich blieb! Und von da ab war auch die Leidenschaft des Rauchens im Noviziat gebrochen.

Vinzenz Pallotti, gemalt v. Bruno Zwiener / Foto: berufung-pallottiner.de ©2004

11. Es begann nun ein aszetischer Frühling. Besonders ergriff mich das Leben des Ehrw. Stifters V. Pallotti, von P. Weber PSM geschrieben, sowie die Schriften Regola Grande, Apostolatos cattolico, i. Brami usw. Die große Marienliebe Vinzenz Pallottis, die ihren Triumph feierte in der mystischen Vermählung und die darauffolgende Schau des Weltapostolatswerkes, löste in mir die Sehnsucht aus, mit aller Kraft an mir zu arbeiten und ein echter Apostel zu werden. Je mehr ich mich aber ins Apostolatswerk, wie es im Schrifttum aufschien, vertiefte, umsomehr verstand ich den Infinitismus (Unendlichkeit Gottes) des ehwürdigen Vaters als Quelle solcher Wünsche, die aber nach meinem damaligen Verständnis nur Wünsche bleiben werden. Eine Realisierbarkeit der Idee des universellen Apostolates V. Pallottis blieb mir verschleiert und schien mir fast unmöglich.

Nach zweijährigem Noviziat - eine Zeit herrlichster seelischer Blüte, an die ich mich immer mit Wehmut und Sehnsucht erinnere, legte ich die erste Profeß ab. Weitere zwei Jahre gab ich aushilfsweise Philosophie. Für diese Zeit bin ich den Oberen von Herzen dankbar. Anschließend folgte das 4. Jahr Theologie in Salzburg, wo ich die fehlenden Fächer von Brixen her noch persolvierte.

Gnadenkapelle von Schönstatt

12. 1933 im Sommer wurde ich nach Friedberg-Provinzialat versetzt, wo ich zum ersten Mal einige Nummern "Sal terrae" ("Salz der Erde" - damalige Zeitschrift der Schönstattpriester) in die Hände bekam und von "Schönstatt" etwas las. Es waren Marienpredigten darin enthalten und einige Aussprachen über den apostolischen Bund. Das Echo war in mir urgewaltig. "Heureca" - jetzt habe ich das gefunden, was ich solange gesucht. Mit Heißhunger verschlang ich alles Schrifttum von Schönstatt, was mir in die Hände kam. Und meine ganz große Sehnsucht war, nur einmal hinfahren zu dürfen zum Gnadenort der MTA. Ich fand 1934 im August dort die Verwirklichung der Ideenwelt und des Apostolatswerkes des ehrw. Vaters V. Pallottis. Nach einigen Versetzungen durfte ich im Sept. 1938 ganz nach Sch. übersiedeln. "Nie kann ich, Mutter, danken Dir genug!"

 

Mögen diese Zeilen in Dankbarkeit und liebevoller Anhänglichkeit ein Gedenken und Danken darstellen. Neben Gott, dem Herrn, der lb. Gottesmutter, hl. Theresia und V. Pallotti sei den Erziehern gedankt, P.P. Franziskanern, Jesuiten, Weltpriestern, Pallottinern, die alle an mir geformt und gebildet haben. Meine lieben Eltern möge der dreifaltige Gott besonders segnen. Zum Schlusse dieser kurzen Lebensrückerinnerungen möchte ich ein Gedicht Cardinal Newmans hier festhalten, das mir im Gefängnis so viel Trost bereitete:

 

 

O Herr, leite mich!

 

1. O leite mich mit Deinem Licht,

    ja, leite mich!

    Nacht ist's umher, die Heimat seh ich nicht,

    o leite mich!

    Ich bitte nicht, daß ich mög' ferne sehn,

    laß mich nur Schritt für Schritt gerade gehen!

 

2. Ich hab' nicht immer so zu Dir gefleht:

    Herr, leite mich!

    Ich liebte eigenen Weg, jetzt komm' ich spät,

    o leit Du mich!

    Ich liebte Stolz und war voll Sinnlichkeit,

    ach Herr, gedenke nicht vergangner Zeit!

 

3. Bisher hast Du gesegnet mich,

    wohlan, so leite mich

    auch ferner - bis die rauhe, dunkle Bahn

    einst lichtet sich.

    Dann stehn am Morgen Sel'ge vor mir da,

    die einst ich liebte und dann nimmer sah.

 

                                            (Card. Newman)

 

In diesen Versen liegt all das verborgen, was nicht gut zu schreiben ging. So sollen diese Reflexiones et gratiarum actiones ausklingen in dem Liede:

 

"So nimm denn meine Hände..."

u. "Mutter dreimal wunderbar, lehr uns..."

u. "In deine lieben Hände leg ich meine..."

 

Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, erhalten 23. Juli 1942

B. Afflictiones et cordis compunctiones! (Bedrängnisse und Erschütterungen des Herzens!)

 

In diesem Abschnitt möchte ich die weisen Führungen und Fügungen des dreifaltigen Gottes anbetend verherrlichen und zugleich meine eigene Armseligkeit bekennen. Was bin ich? Was ist mein Leben?

 

  1. Nichts und Sünde, für mich gesehen!
  2. Dagegen ist Gott unendlich heilig.
  3. Und doch, in dem Plane Gottes bin ich ein Almosen Gottes, ein Augapfel Gottes!

 

 

So mögen drei Merkworte diese Wahrheiten kennzeichnen: Zusammenbruch im eigenen Leben, Einbruch der Gnadenströme Gottes in meine Seele, Aufbruch als Ergebnis und Frucht: der neue Mensch.

Es ist schwer, Erlebnisse so darzustellen, daß die drei Merkworte getrennt aufleuchten. Erlebnisse sind organische Vorgänge, aus denen die drei Elemente herauszulesen sind. So möchte ich einzelne, für mein Leben wichtige Erlebnisse kurz schildern.

 

I. Zusammenbruch

 

Zusammenbrüche können naturhafter Art, z.B. körperlich-gesundheitliche, geistige Umnachtung, seelische Willensschwäche, Nervenschwäche, Schwermut usw. sein. Sie könne auch sittlich-religiöser Art sein. Sittlich: Fehler, Unvollkommenheiten, Sünden. Religiöser: Irrewerden am Glauben, dunkle Nächte des Geistes mit restlosem Sichausliefern an Gott.

 

A) Reue auf Grund sittlichen Zusammenbruchs:

 

1. Der gegenwärtige Lebens- und Letztabschnitt ist nicht bloß ein freigewählter und freigewollter heroischer Entscheid für Christus und seinen Triumph, sondern auch eine Ausnützung einer mir aufgezwungenen Entscheidung (Stellungsbefehl mit Treueid); dann Furcht und Flucht vor mir selber sind zutiefst hier die treibenden Kräfte. Bei der Einstellung zur Ganzheit erlebte ich zuviele seelische, sittliche Zusammenbrüche. Mit Wehmut denke ich immer an meine seelische Höhenlage im Noviziat. Und damals zerbrach ich in meinem Streben, weil ich in der Leidensnachfolge Christi zurückschreckte vor der Bereitschaft, jedes Leiden auf mich zu nehmen. Der Wendepunkt war die Schilderung einer Mystikerin und Stigmatisierten, die an sich die Wunden der Dornenkrone trug, wo ein Stachel tief ins Auge eindrang und furchtbare Schmerzen verursachte. Da sagte ich mir, daß es für mich unmöglich ist, solche Leiden und Schmerzen auszuhalten. Ich glaubte, in einer aszetischen Zwangsjacke eingeschnürt zu sein, die ich sprengen muß. Das Eigenkönnen versagte, somit ließ ich vieles gehen. Und von da ab ging es bergab. Nur eines blieb: die Sehnsucht. Erst später erkannte ich meinen Irrtum, daß ich nicht das Kreuz anderer, sondern das auf meine Person und meine Tragfähigkeit abgestimmte Kreuz zu tragen habe. Aber es war viel schon zerbrochen!

Der junge Franz mit Zigarette

2. Ein ständiges Leid war mir das Rauchen. Im Noviziat überwand ich diese Leidenschaft, und es ging vier Jahre gut. Dann fing ich wieder an, und die Leidenschaft kam erneut und schuf dauerndes Leid. Ich erkannte, daß ich Sklave bin meiner Leidenschaft. Somit kann ich die drei evangelischen Räte nicht vollkommen leben.

 

In Schönstatt begann man von Blankovollmacht zu sprechen und sie zu leben. Da litt ich unsagbar, daß ich es nicht zustande bringe, mich voll in die Gewalt zu bekommen, und so wurde mir Schönstatt ein Ort hoher Ideale, ein Ort größter Leidensschau an anderen und ein Ort schwersten Leidens ob meines Versagens, verbunden mit der glühenden Sehnsucht: MTA, hilf mir doch, mein P.I. zu verwirklichen. Die Exerzitienkurse, die immer auf das Vollkommene abgesimmt waren, ließen mich abgrundtiefe Armseligkeit und Schwäche erkennen. Vor allem die Zusammenschau von Glaube und Sittlichkeit, von Religion und Leben ließen in mir den Entschluß reifen, die MTA zu bitten, sie möge mir doch noch im Letztentscheid: Kampf gegen den Bolschewismus, die Gelegenheit geben, ein Schlachtopfer der Liebe für ihr Werk zu werden. Denn auf gewöhnlichem Wege erreiche ich nicht mehr mein Persönliches Ideal. Wohl suchte ich alles zu tun, um diesem Letztentscheid zu entgehen, solange Gott mir andere Türen und Tore öffnete. Ein gutes Jahr lebte ich in diesem Gedanken, aber der Höhenflug gelang mir nicht. Nur eine ganz große Sehnsucht blühte heran, diesen Weg zur Verwirklichung der Blankovollmacht und Inscriptio beschreiten zu dürfen. Unverhofft u. doch nicht überraschend erreichte mich die Botschaft der MTA: Es gilt! Stellungsbefehl für das mar. Christkönigreich.

 

3. Am 15. April begann ich unter dem Schutze Mariens, bestimmt aber durch Furcht und Flucht vor mir selber, den freigewählten und freigewollten Letztentscheid zu verwirklichen: den geforderten Treueid nicht zu leisten. Jeder Tag ist eine Neuentscheidung für mein Ziel: Blütezeit der Kirche durch Überwindung des Bolschewismus von Sch. aus! Bestimmte Tage, z.B. Vorladungen, Verhöre, Hauptverhandlungen sind Hauptentscheidungen für Christus gewesen. Der Todestag wird die Letztentscheidung im engsten Sinn des Wortes für Christus, den gekreuzigten und glorreichen König, auf ewig bringen. - In Wahrheit ist es der Heilige Geist , der in mir bis jetzt sieghaft gekämpft hat, und der sieghaft das begonnene Werk zu Ende führt. Der Hl. Geist ist es, der meiner Schwachheit zu Hilfe kommt und bisher auch zur Seite stand (Röm. 8.26).

Denn zu meiner größten Freude - und um mein Vertrauen noch weiter zu stärken, sei es hier niedergeschrieben - habe ich, solange ich allein auf der Zelle war, sehr viel mehr Angst vor Unbesonnenheit, Unklugheit, Schwäche, Versagen usw. gelitten, und sobald  es galt, vor den Behörden hinzutreten und den Mann zu stellen, erfüllte mich eine überlegene innere Ruhe, Sicherheit u. Geborgenheit im Herzen der MTA. "MTA, tua res agitur" ("Dreimal wunderbare Mutter, es geht um Deine Sache") wirkte in mir in diesen Stunden als Stoßgebetlein Wunder der Kraft, Liebe und Besonnenheit!

 

B) Die Angstzustände kreisten um verschiedene Ideen und Lebenskomplexe:

 

  1. Angst vor dem Versagen bei den Behörden
  2. Angst vor dem Wachpersonal
  3. Angst vor dem Versagen meiner Gesundheit
  4. Angst vor dem Lebensende: Erschießen
  5. Angst vor der Nichtannahme meines Lebensopfers durch die MTA
  6. Versuchung: Zwei Versuchungen möchte ich noch erwähnen.

 

a) Vom 8.5. - 22.5. war ein gefährlicher Gedanke mir zur Last: "Die scharfe Behandlung durch das Wachpersonal lasse dir doch nicht auf die Dauer bieten. Du brauchst ja keine Befehle auszuführen. Bist ja nur freiwillig hier. Zwinge durch einen fingierten Überfall einen Beamten zum Schießen. Dann ist alles überstanden." Doch plötzlich wich diese Versuchung.

 

b) Vom 8.5. ab hielt mich die hartnäckige Versuchung im Banne: Die Behörden machen nicht vorwärts, ziehen alles in die Länge: Kleinmut. Ich halte es nicht lange aus. - - - 25. Juni. Dann kam der gute Hirte zu mir. Es geht.

 

II. Einbruch

 

1. Der Einbruch der Gnaden und damit der göttlichen Kräfte! Ja und Gott selber.

 

a) Diese vergangenen Wochen suchte ich von Anfang an durch eine feste Tagesordnung gottgefällig zu verleben.

b) Ich erkannte die Notwendigkeit der Gaben des Hl. Geistes und begann stark zu ringen und zu flehen: Heiland, MTA, alle Engel u. Heiligen, erfleht mir den Geist der Kraft, Liebe und Besonnenheit (2. Tim. 2.6)

c) Mein fast ausschließlicher Lesestoff war das Neue Testament. Denn nur darin fand ich Trost und Kraft, Hoffnung u. Zuversicht, Liebe und einstige Seligkeit.

d) Der heilige Rosenkranz löste ein großes Geborgenheitsgefühl aus, an der Hand der MTA sicher zu gehen.

e) Bei der Betrachtung des Kreuzweges löste die 4. Station eine gewisse erlebnismäßige Freude aus, weil ich bisher aus Erfahrung die lindernde Hand der Mutter Gottes im Spiele weiß.

f) Nach dem geistlichen Morgenopfer und der Betrachtung stimmte ich mich durch die Sterbeübung (geistliche Krankenölung) auf den Tod ein, was eine gewisse Sicherheit u. Festigkeit und Sühnekraft auslöste. Wenn vor Verhören (8 bisher) mich die Angst erfaßte oder sonst unter Tags, dann erinnerte ich mich gern an P. Kent., wie er uns lobte, wenn wir innere u. äußere Ruhe bewahrten, wenn eine schwierige Situation zu überstehen war. Denn dies ist das Zeichen des heroischen Vorsehungsglaubens. Wenn auch die Angst sich gegen den Willen einstellt u. hartnäckig festklammert, so muß die innere Ruhe wahrlich im heroischen Grade erbettelt, erfleht und erkämpft werden.

g) Bis zum 25.6. fühlte ich mich geistig geborgen im Gedanken an die doppelte Heimat: Kapellchen u. Elternhaus.

h) Ab 25.6. wurde meine Zelle zu einem kleinen Kirchlein, zur Filiale des MTA-Kapellchens. Tag und Nacht im Beisein des guten Hirten den Kampf zu Ende zu führen, löst nicht nur Sicherheit und Ruhe, sondern Freude u. Seligkeit aus. Überreicher Trost, wohl als Vorbereitung auf die letzte Station, die noch kommen wird: ohne sakramentalen Trost vom Untersuchungsgefängnis weiterwandern zu müssen ins Zuchthaus, um dort nach wenigen Tagen das Lebensopfer bringen zu dürfen.

 

2. Was mich bisher so unbeirrt den einmal eingeschlagenen

    Weg weiterwandern  läßt, sind:

 

a) Die verstandesmäßige u. gemütsmäßige Ablehnung der gegenwärtigen antichristlichen Strömungen. Eine Überfülle von Einwänden jeglicher Art u. von jeglicher Seite sind bislang zu überwinden gewesen. Die Schwierigkeiten von Seiten der staatlichen Behörden waren relativ leichter als die von Seiten meiner eigenen Mitbrüder. Doch Gott sei Dank, es sollte und mußte so kommen. Die MTA hat überall schützend ihre Hand im Spiele.

b) Die Überzeugung, daß in schweren Zeiten Christus u. die Kirche auch schwere Opfer fordern werden. Darum die ständige Orientierung hin auf das Kreuz und auf das große Zeichen Mariens. Das gilt ganz allgemein. Besonders klar wurde dieser Gedanke, wenn ich die vielen Soldaten betrachte, die mir Einwände machten ob der Unvernünftigkeit meines Weges: Gottgläubige, Weltselige, Unsittliche u. Verkommene, Abgefallene, edle Irrende wie gehässige Massenmenschen.

 

Und doch, alle haben eine unsterbliche Seele: furchtbar, wenn fast alle sagten: Nach dem Tode ist es aus, ich sei unvernünftig, mein Leben so leicht auslöschen zu lassen usw.

 

c) Der Glaube an die Sch.-Sendung und Verheißung. Im Schatten des Heiligtums (1928) und für die nächste Zeit: Überwindung der modernen Häresien und Heraufführung einer Blütezeit der Kirche!

 

III. Aufbruch

 

Dieser Glaube verlangt aber den neuen Menschen, der gebildet ist im Hl. Geiste nach der Gerechtigkeit = Heiligkeit Gottes! MTA, forme Du mich um und würdige mich, als liebeglühender Sch.-Apostel zu leben und zu sterben. Guter Hirte, behüte mich wie Deinen Augapfel, trage mich heim wie das wiedergefundene Schäflein. Nichts soll mich scheiden können von der Liebe zu Dir! Alles für Dich, o Jesus! So möchte ich diese Gedankenreihe schließen mit einem Bekenntnis, das herausquillt aus einem übervollen, leiderfüllten und doch seligkeitsumwitterten Herzen.

Liebe MTA, laß mich bitte, bitte nicht mehr zurückkehren ins Leben. Denn eine solche Lösung ließe mich abermals ein furchtbares Versagen erleben. Du weißt ja, daß Furcht und Flucht vor mir selber es ist, was mich so zäh an diesem Wege und auch an dieser Prüfung trotz Leid festhalten läßt. Solltest Du aber voraussehen, daß trotz alledem die Erhaltung meines Lebens in dieser Welt zur größeren Ehre Gottes gereichen würde als bisher, dann MTA, wie Du willst! Alle bisherigen Angstzustände wie auch die noch zu erwartenden will ich hineinsenken in Dein Gnadenwerk. Laß mich, wenn es Deinen Plänen entspricht, den bisher eingeschlagenen Weg unbeirrbar zu Ende gehen. A.J.D.G. (Ad Jesu Gloriam - Zu Jesu Ehre) - A.D.P. Ad destruendum peccatum - Zur Vernichtung der Sünde) - A.S.A.  (Ad salvandas animas - Zur Rettung der Seelen) - Dein Todgeweihter!

 

Zum Schluß möchte ich ausruhen in einigen comp.cordis: O Jesus, Du weißt alles, Du weißt auch, daß ich Dich liebe! Heiligstes Herz Jesu, Vorbild des Priesterherzens, erbarme Dich unser. O süßes Herz Jesu, gib, daß ich immer mehr Dich liebe. Reinstes Herz Mariae, bitte für uns. Süßes Herz Mariae, sei meine Rettung. MTA habebit curam!

 

 Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, 21. Juli 1942

C) Jubilationes et benedictiones! (Jubel und Lob!)

 

Jubel! Aber ein Jubel mit starkem Erdgeruch, eine leidvolle Freude, die erst am Ort der Verklärung zur ungetrübten Freude wird. "Lieben und Leiden in Freuden" ist eines jeden Gläubigen Erdenlos. Es gibt ja in all dem Leid und Kreuz, wenn es gottergeben getragen wird, ein Vorkosten der Freude, und im Mißerfolg ein Vorkosten des Erfolgs, in der Erniedrigung, Verachtung und Verurteilung zum Tode ein Vorerleben der Verherrlichung, der Rechtfertigung und der kommenden Verklärung.

 

So will ich im Beisein des eucharistischen Fronleichnams, des gekreuzigten und glorreichen Heilandes, unter den Augen der Schmerzensmutter und glorreichen Königin ein klein wenig von den Seelenfreuden erzählen. Zunächst von den Semina, die ins Erdreich gesenkt wurden, das ist der Samen, den der dreifaltige Gott in mein Herz gestreut hat. Dann von den Nomina, nicht nur Namen von Personen, sondern auch von Orten und Ereignissen, die in kommender Zeit ihre Verherrlichung erfahren werden, endlich soll alles ausklingen in den Carmina, in dem Amen, Amen, Amen, dem neuen Lied, das in apocalyptischer Schau die große organische Einheit der Kirche, d.h die triumphierende, leidende und streitende Kirche dem göttlichen Lamme und dem, der auf dem Throne sitzt, singt.

 

I. Semina - Samen

 

1. Eines der größten Freudengeschenke ist wohl die erfahrungsgemäße     

Erkenntnis: "Gott läßt sich an Großmut nicht übertreffen!" Beweise dafür, daß nach längerer Zeit der Prüfung und seelischen Läuterung die MTA in der Gestalt des Sch. Priesters zu mir kommt, daß selbst meine kleine Zelle zu einem MTA-Heiligtum geworden mit der Dauergegenwart des eucharistischen Heilandes. Endlich noch die Ideenwelt Sch. im Ex.-Kurs (Exerzitienkurs) über die Marienherrlichkeiten v. Kastner.

 

        2. Ein weiteres Samenkorn ist die urgewaltige Sehnsucht:

 

a) nach mehr Liebe zum guten Hirten! Nicht soviel kreisen um das eigene Kreuz als vielmehr um Christi Kreuz.

b) nach mehr Geduld, nämlich still zu warten und sich meißeln zu lassen.

c) nach Priesternachwuchs, nach Heiligung der Priester und nach Wachstum der Sch.-Priestergemeinschaft: "Sende, o Herr, Arbeiter von Sch. in Deine Ernte."

 

3. Das dritte Samenkorn ist die Festigung im Glauben an die Führung Gottes in meinem jetzigen Lebens- und Endabschnitt! Die Angstzustände, die zwei großen Versuchungen und die große Reue über mein vergangenes Leben ließen mich meine ganze Ohnmacht erleben und damit zugleich erkennen, daß Gott mit seiner Allmacht mir zur Seite steht: Darum auch die Bitte:

 

"Himmlischer Vater, ich opfere Dir durch die Hände der lieben dreimal wunderbaren Mutter das kostbare Blut Jesu Christi auf, um Dir zu danken, als hättest du mir die Gnade gewährt, als Schlachtopfer der Liebe für das große Sch.-Werk verbluten zu dürfen."

 

Möge diese Semina Dei et matris ter admirabilis ausreifen zu einem großen Baum, der nach meinem Ableben reiche Früchte bringen möge.

 

II. Nomina - Namen

 

1. Es wird - ohne ein begnadigeter Prophet sein zu müssen - der ehrw. Diener Gottes und Stifter wie Vater V. Pallotti noch weit mehr als wie bisher unter den Priestern vor allem und damit in der Gesamtkirche bekannt und liebevoll verehrt werden.

 

2. Es wird die Gesellschaft der PSM weit mehr als wie bisher auf das Gnadenkapellchen hinschauen und dorthin sich orientieren.

 

3. Es wird das Geheimnis von Schönstatt gnadenhafte Triumphe feiern, je mehr seine Verheißungen (1929) "Im Schatten..." und (1934) "Für die nächste Zeit..." in der Familie geglaubt werden.

 

4. Darüber hinaus je mehr die Sch.-Verheißungen praktisch auch durch Blankovollmacht-Inscriptio unterstützt, gelebt und eropfert werden, umsomehr wird die Krönung der MTA gefördert. Die besteht wesentlich darin, daß Maria als Königin des Weltalls zur Verherrlichung Christi, des Weltenkönigs, am Horizont der Kirche erstrahle, vor allem durch die zu erflehende Dogmatisierung der allgemeinen Gnadenvermittlung.

 

5. Es wird der "Werktagsheilige" in jeder Lebenslage aus hochgradiger Gottesliebe heraus getreu seine Pflicht erfüllen. Und es wird die gute MTA unserer Sch.-Familie wie jedem einzelnen Glied je nach Art und Ausmaß Gelegenheit zur Erprobung senden. Darum wird es viele Namen geben, die nur im Buche des Lebens aufgezeichnet sind, aber die zum größten Segen für die Verwirklichung der Sch.Verheißung sind. Es werden aber auch Namen auf Erden bekannt werden, die die Kirche Gottes mit großer und dankbarer Freude den Gläubigen in die Herzen schreibt und auf die Lippen legt.

 

6. Möge die eucharistische Anbetung einmal ein ganz frohes Ereignis erleben in der zukünftigen Anbetungskirche. Mit der Muttermilch schon habe ich ja eine ganz zarte und immer größer werdende Liebe zum eucharistischen Heiland in mich aufgenommen, so daß es auch ein Grund ist, mein Leben dafür hinzuopfern.

 

7. Es wird endlich eine Zeit größter Sorge für die Erhaltung und Verbreitung des wahren Glaubens kommen. Die Ausbildung des Priesternachwuchses wird auf große Schwierigkeiten stoßen. Darum auch die Gefahr, die zu überwinden sein wird, einen geistig nicht ganz ausgebildeten Klerus vor Irrtum u. Abfall zu bewahren. Möge gerade in dieser Hinsicht die Gnadenmutter von Schönstatt in unserer Gesellschaft PSM wie in der Sch.-Priesterfamilie Wunder wirken, Wunder der Gnade, die für die Ausbildung, Fortbildung und Hochbildung notwendig sind. Exerzitienkurse und Pflege der Gemeinschaft soll die Hochschule werden, nicht nur eines aszetisch, sondern auch geistig hochstehenden Klerus. Wissenschaft ist das 8. Sakrament, sagt ein Geistesmann. Halbes Wissen führt zum Teufel, ganzes Wissen führt zu Gott. Wie sehr spüre ich es gerade an meinem jetzigen Leben, was der Vorwurf bedeutet: Im Verdacht der Ketzerei zu stehen. Darum ist gegen diese An- und Vorwürfe der beste innere Schutz: Papsttreue, klare Prinzipien und eine große Liebe zu Jesus und Maria. Dann wird und muß der Hl. Geist stets seine Erleuchtungen spenden. Anders ausgedrückt: die wahre Kindlichkeit gegenüber der göttlichen Führung. Der Gehorsam wird in kommender Zeit eine Tugend sein, die am schwersten durchsichtig sein wird. Darum ein ständiges Flehen zur lb. Gottesmutter: "Lehr uns, Deine Ritter, streiten!" Dann mögen Gewitterstürme über uns hinwegbrausen, "immobiles sicut Patriae montes" ("unverrückbar wie die Berge der Heimat" - Jugendideal von Franz Reinisch) - wir werden unerschütterlich sein wie die Berge unserer Heimat. - Wenn nur in allem Gottes Wille in Erfüllung gehe! Ein jeder zukünftiger Sch.-Priester, bes. Pater der PSM, muß so geformt sein, daß er selbst die Fähigkeit und das Sendungsbewußtsein in sich trägt: Ich baue alles auf! Ich bin die PSM! Ich bin der Sch.-Bund! Gerade das Bewußtsein der Persönlichkeit ist heute bei dem Anschwellen des Massenmenschentums so außerordentlich wichtig! "Ein Held vor den Menschen, ein Kind vor Gott." Bei dem gewöhnlichen, einfachen Menschen, auch Soldaten, bis hinauf in die höchsten Schichten (siehe Reichskriegsgerichtssitzung) wird verlangt die Zurückdrängung des Machtbereiches der christlichen Konfessionen, bes. der kath. Kirche und des Papsttums! Dies soll besonders nach dem Kriege das Ziel der Staatsführung sein. Somit Verstaatlichung der Religion! - Was das aber bedeutet? Entchristlichung des ganzen Volkes auf dem Wege der Vermassung der einzelnen. Und jene, die sich nicht beugen, sind Volksfeinde und Menschen zweiter Klasse. Darum wird in kommender Zeit eine starke Spannung kommen zwischen gebundener Freiheit und freier Gebundenheit, zwischen Freiheit und Gehorsam. Denn wenn die folgende Generation mit ihrer ganzen Vermassungsschulung und Ausbildung und Tendenzen an die Reihe kommt, Vorgesetzte zu werden, wird sich dieses Problem voll und ganz auswirken. Dank, 1000 Dank der göttlichen Vorsehung für das Immaculata- und Infallibilitätsdogma (Glaubenssatz von der "Unbefleckten Empfängnis Marien" und der "Unfehlbarkeit des Papstes")!!! Das sind zwei Säulen, zwei Anker, zwei Felsen, zwei Leuchttürme für die rettungssuchende Christenseele.

 

 

III. Carmina - Amen!

 

In apocalyptisch-ähnlichen Zeiten, wie die heutige doch eine solche ist, da ist doch die Organismuslehre die trostreichste und freudenvollste. "Ich stehe vor aller Welt mit meinem Lebensopfer ganz verlassen da. Natürlich gesehen ist (es) doch ein Schlag ins Wasser. Wenn ich trotzdem an diesem Gedanken festhalten würde, so müßte man mich zum abnormalen Menschen stempeln!" Nun aber ist für den gläubigen Menschen das Erdendasein nur ein Pilgerleben, ein Wanderleben zur Urheimat. Die Kirche im Himmel und auf Erden sind eine organische Einheit. Das heißt: der eine Christus umspannt in mystischer Weise das Diesseits und Jenseits in seinen Gliedern. Das ist nun die gewaltige Stoßkraft, die von jenem Geheimnis ausgeht: Caritas Christi urget nos, me, te, nos, omnes (Die Liebe Christi drängt uns, mich, dich, uns, alle!)!!! Darin liegt auch der Sinn meines Lebensopfers. Da wird das 5. Siegel für die Jetztzeit verständlich, wo doch ein gewaltiges Ringen herrscht zwischen göttlichen und dämonischen Kräften. Darin mögen die Verse 9 und 10 vom 13. Kap. verständlich werden beim Lebensangebot: Glaube und Geduld.

Alles, alles zielt hin auf die Heimholung der Auserwählten. Daß ich dazugehöre, war von klein auf für mich wegen der großen Verheißung des hl. Herzens Jesu (Herz-Jesu-Freitag) eine Selbstverständlichkeit. Es handelte sich nur um eine Heiligung, nicht um die Rettung meiner Seele. Es sei nun dieser letzte Lebensabschnitt ein großes Danklied für die außergewöhnlichen Gnaden der letzten Lebenstage, ein großes Loblied, zusammen und gemeinsam mit der MTA, allen Engeln und Heiligen auf die unendliche Liebe Gottes und ein großes Heimatlied, das einen kleinen Vorgeschmack gibt von dem gewaltigen Chor, der vor dem Throne Gottes steht und singt: Apoc. 7.10. "Eine große Schar mit weißen Kleidern angetan und mit Palmen in den Händen -- riefen: 'Heil unserm Gott, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamme...' Alle Engel, Ältesten --- beteten Gott an --> Amen! Lob, Ruhm, Weisheit, Dank und Ehre, Macht und Stärke gebührt unserem Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!"

 

Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, 22. Juli 1942

Todesurteil

 

Ewig will ich lobsingen die Erbarmungen Gottes und der lb. Gottesmutter.

 

I. Am 23.7. erhielt ich die Begründung des Feldurteils (vom 7.7.42) ausgeliehen mit der Aufforderung, dazu Stellung zu nehmen: am 24.07. 10 Uhr soll die Vernehmung sein. Das Feldurteil enthielt:

 

A) die Namen: als Vorsitzender:  Senatspräsident Dr. Schmauser

                       als Beisitzer:        1. Generalleutnant

                                                    2. Generalmajor

                                                    3. Oberst

                                                    4. Oberst

                                                    5. Oberreichskriegsanwalt Bahn

                                                    6. Rechtsanwalt

                                                    7. Schriftführer

 

B) Begründung der Todesstrafe:  

 


1. Kurzer Lebenslauf von mir

2. Meine Aussagen in Bad Kissingen, Würzburg und Berlin

3. Begründung, daß ich zu Recht den Einberufungsbefehl erhalten habe

4. Endresultat: (aus dem Gedächtnis, nicht wörtlich, mit Ausnahme, was  

    unterstrichen - Anm: hier kursiv - ist)

 

 

Der Beschuldigte wird wegen Wehrdienstverweigerung zum Tode verurteilt. Es liegen keine Milderungsumstände vor, wie Jugend, Abnormität etc. Somit muß die härteste Strafe für dieses Verbrechen erkannt werden: nämlich die Todesstrafe. Aus einer persönlichen Einstellung heraus verweigert er dem deutschen Volke in seinem Daseinskampfe, die Treue zu halten. Dadurch stellt er sich bewußt in Gegensatz zu Staat und Volk und übrigens auch zu seinen kirchlichen Obern. Überdies enthält sein Verhalten eine gefährliche Werbekraft in sich zum Schaden des deutschen Volkes und würde zur Zersetzung der Wehrkraft beitragen.

 

II. Am 24.7. fuhr ich dann zum Reichskriegsgericht zur Vernehmung. Mittags um 13 Uhr kam die Mitteilung: Reinisch soll am folgenden Tage kommen. Heute keine Zeit. Es war gut so. Ich konnte meine Schlußerklärung nochmals gründlich umarbeiten.

 

III. 25.7. Soviel ich mich erinnere, ist es der Tag des Todes Dr. Dollfuß. Morgens konnte ich zu meiner großen Freude seit 7.7. wieder einmal zelebrieren. Fest des Apostels Jakobus.

 

  1. Epistel: "Brüder, ich glaube, Gott hat uns Apostel an den letzten Platz gestellt wie solche, die dem Tode geweiht sind!!!" Mein PI: Sch.-Apostel zum Tode verurteilt!
  2. Allelujalied: Joh 15.16: "Ich habe euch aus der Welt ausgewählt, damit ihr hingeht und Frucht bringet, und eure Frucht soll bleiben, Alleluja!"- Möge mein Lebensopfer jene große Gnade sein, welche die Bestätigung der Auserwählung und der Frucht (-Apostolates!) bedeutet.
  3. Evangelium: "Jesus antwortete: Ihr wißt nicht, um was Ihr bittet. Könnt Ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?! Sie erwiderten ihm: Wir können es. Da sprach er zu ihnen: Meinen Kelch werdet ihr trinken..."

 

    Lieber Heiland, gib mir die Kraft dazu und reich mir Deinen Kelch bald!

    Himmlischer Vater, ich opfere Dir durch die Hände der lb. MTA das

    kostbare Blut Jesu Christi auf, um Dir zu danken, als hättest Du mir die

    Gnade gewährt, als Schlachtopfer der Liebe für das große Sch.-Werk

    verbluten zu dürfen.

 

     4. Kommunionlied: "Ihr, die Ihr mir gefolgt seid, werdet auf Thronen

         sitzen..."

 

Welch froher Gedanke an die künftige und baldige Herrlichkeit und  Gottanschauung!

 

Nach der Danksagung an die lb. MTA (es ist heute zugleich

Samstag) ging es bald zum RKG (Reichs-Kriegs-Gericht) zur Vernehmung.

 

Um 10 Uhr werde ich vorgeladen: "Du Geist der Kraft, der Liebe und

der Besonnenheit, erfülle mich mit Deiner Gaben Siebenzahl! MTA,

tuares agitur! St. Michael stehe mir bei! St. Joseph terror daemonum adjuva me!" Es war ein älterer freundlicher Oberreichskriegsgerichtsrat, der meine Stellungnahme zum Feldurteil entgegennehmen mußte. Sehr freundlich und doch sehr gefährlich. Es begann abermals ein geistiges Ringen, nachdem ich schriftlich meine Schlußerklärung überreicht hatte.

Kernpunkt der Gegensätze: "Es geht heute um die Existenz des deutschen Volkes und nicht um die des Regimes..." Als ich endlich auf die göttliche Vorsehung hinwies, die alles lenkt u. ordnet, erhielt ich die Antwort: "Man kann sich auf die Vorsehung nicht verlassen. 1918 hat sie uns auch im Stich gelassen." (Politischer Gottesbegriff!) Damit war mein Kämpfen und

Disputieren zu Ende. Ich blieb auf meinem bisherigen Standpunkt.

 

IV. (Die Schlußerklärung steht auf einem eigenen Zettel)

 

V. Auf der Heimfahrt: Beim Verlassen des RKG sagte der Wachtmeister: "Nun sind Sie zum letztenmal hier gewesen. Jetzt geht es zum Petrus. Andere müssen auch sterben!" Mit diesem Soldatenscherz ging es ins Auto. Herrlicher Tag. Die ganze Natur lacht. Da beginnt sich mein Herz zu weiten, und eine ganz große Sehnsucht nach dem Himmel erfüllt mich: Das bräutliche Königspaar: Jesus und Maria bald von Angesicht zu Angesicht schauen zu dürfen. Schon im Juni hatte ich das Empfinden in mir: Den hohen Krönungstag 15.8. werde ich im Himmel feiern. Ob es mir glücken wird? Ich vertraue und hoffe!!! Ja, ich freue mich darauf!!!

 

Ein junger Mensch mit 19 Jahren etwa war mit mir im Auto zusammengefesselt. Es war ein Bibelforscher und ist auch zum Tode verurteilt. Er zeigte mir ein kleines Zettelchen: "Gott segne Dich", und ein freundliches Lächeln begleitet diese Handlung. Da dachte ich bei mir: Kampf dem Irrtum, Liebe den Irrenden!, und ich empfahl diese junge Seele Christus, dem König der Herzen.

 

Als ich auf meiner Zelle angelangt war, 13.15 Uhr, lag ein Gruß der lieben Himmelsmutter und Dollfuß auf dem Tisch. Ein Brief meiner lieben Eltern: Das empfand ich als Bekräftigung wieder für die Richtigkeit meines Weges und als Freudengeschenk für den abermaligen Entscheid, zu Christus dem König bis zum letzten Atemzug zu stehen. Zudem schrieb mir mein lieber Papa so herzlich über die MTA: Sie ist dreimal wunderbar: Wunderbar in ihren Freuden, in ihren Leiden, in ihrer Herrlichkeit! Tausendfaches Vergeltsgott dafür! Ebenso schrieb die liebe Mutter das Gebet mit großer Inbrunst nieder: "Mutter, dreimal wunderbar, lehr uns..." Ich ersah aus der Schrift, daß ihre ganze Seele darin lag. Ebenso erinnere ich mich gerne an den letzten Brief, wo von der lb. Mutter das Wort ganz am Ende dazu gefügt wurde und mir in den Angstzuständen Balsam bedeutete: "Bleibe stark!"

 

Der heutige Tag ist somit in meiner Dank- und Sprechweise ein einzigartig schönstättisch-österreichischer Tag.

Schönstättisch: Weil die Immaculata, die Drachenbezwingerin, mir half, besser ausgedrückt, mich als Werkzeug benützte, um die Letzterklärung unbeirrt, ohne ein Jota daran rütteln zu lassen, zur Verherrlichung Christi, des Weltenkönigs, abzugeben und siehe Brief des Vaters!!!

Österreichisch: Weil die kulturelle und religiös-sittliche Sendung an das deutsche Volk eine kleine Vermehrung erhielt: Treu zu bleiben dem Bekenntnis, wie es einstmals gefordert wurde.

Tirolertag endlich als Spezialdeutung: Weil der Brief meiner lb. Eltern eine Aufmunterung, Bekräftigung und sogar Bestätigung bedeutete für die Richtigkeit meiner Haltung und meines Weges: Darum singe ich und juble ich mit marianischer Hochstimmung hinaus in die Welt:

 

Auf zum Schwur, Tirolerland,

hebt zum Himmel Herz und Hand...

Drum geloben wir auf's neue,

Jesu Herz, Dir ew'ge Treue!!!

 

Immobilis sicut patriae montes!

Unerschütterlich wie die Berge unserer Heimat steht unser Glaube an Jesu Christi u. Maria!

 

Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, 25. Juli 1942

St. Annafest

 

Abschließend zu meiner ganzen Angelegenheit will ich zunächst die Grundsätze festhalten, die mein Verhalten vor Behörden bestimmten, dann die Lösungen anführen, die es in meinem Falle hätte geben können, endlich das Ziel meines ganzen Ringens.

 

Zuvor aber will ich mich mit dem Tiroler-Schwurlied einstimmen.

 

Auf zum Schwur, Tirolerland, hebt zum Himmel Herz u. Hand,

was die Väter einst gelobt, da der Kriegssturm sie umtobt:

das geloben wir aufs neue: Herz Jesu, Dir ew'ge Treue!

 

Fest und stark zu unserem Gott, stehen wir trotz Hohn u. Spott,

lästern uns die Feinde auch, Treue ist Tirolerbrauch:

Drum geloben wir aufs neue: Jesu Herz, Dir ew'ge Treue!

 

 

I. Grundsätze:

 

  1. Viel Gebet als Vorbereitung auf die Vernehmung! An der Hand der MTA den Geist der Kraft, Liebe und Besonnenheit um seiner Gaben Siebenzahl bestürmen. - Viele Stoßgebete während der Sitzungen. - Flehen um innere Ruhe!
  2. Fortiter in re, suaviter in modo. Fest und entschieden, in allem aber priesterlich würdevoll und vornehm!
  3. Alles, was ich sage, muß 100prozentig wahr sein, aber nicht alles, was wahr ist, muß ich sagen! Darum ließ ich mich grundsätzlich auf Vermutungen, Wahrscheinlichkeiten nicht ein. Daher war ich sehr zurückhaltend in Äußerungen, sondern suchte immer wieder dasselbe zu sagen. Die programmatischen Sätze (Bad Kissingen) stehen am Anfang des ganzen Prozesses. Die Erläuterungen dazu gab ich nur dann, wenn ich über Bestimmtes gefragt wurde. Darum blieb bis heute der Satz fast unberührt: "Ich achte und schätze die deutsche Wehrmacht, bedauere aber, daß sie von der NSDAP mißbraucht wird!" Um diesen Punkt hat sich jeder Beamte herumgedrückt. Aber ich spürte überall, wie unangenehm dieser Punkt wirkte, als ob eine Zentnerlast auf allen läge, die sie nicht abwälzen können.
  4. Grundsatz der gesunden persönlichen Freiheit gegenüber dem Massenmenschentum. "Ich denke, rede u. handle nicht, was u. weil es andere denken, reden, handeln, sondern weil das meine innere Überzeugung ist." "Die anderen" haben für mich nur Bestätigungs- u. Bekräftigungscharakter, aber keinen Pflicht- u. Befehlscharakter. Z.B. die anderen Priester haben doch auch den Fahneneid geleistet, wurde mir vorgehalten. Was meine Vorgesetzten u. Obern betrifft, stehe ich auf dem Standpunkt: in disciplinis semper oboedientia, in spiritualibus conscienta (In Ordnungsfragen immer Gehorsam, im geistigen Bereich Gewissensentscheidung). Nun handelt es sich gerade in meinem Fall um eine Überzeugungsangelegenheit, die außerhalb des Befehlsbereiches der Gesellschaft liegt. Ich betone: ich habe jeden Befehl, jede Versetzung, u. mag sie noch so unangenehm gewesen sein, ausgeführt, um diesem Entscheid zu entgehen. Ich habe auch den Stellungsbefehl nicht gesucht od. leichtfertig an mich heranbringen lassen. Wurde er mir aber ausgehändigt, dann handelte ich nach meiner Überzeugung: daß der eingeschlagene Weg für mich Gottes Wille ist! Ich habe auch alles getan, um Unannehmlichkeiten oder Schaden, der daraus entstünde, im voraus zu beseitigen: Abbruch jeder gesellschaftlichen Beziehungen, Rat zu Dimissio extra societatem (Entlassung aus der Gesellschaft) etc. So lag die Verantwortung nur mehr bei mir! Und so will ich auch mit Freuden vor den Richterstuhl Gottes treten.

 

 

II. Lösungen:

 

Meine ganze Angelegenheit habe ich vor den Behörden auf das rein religiöse Gebiet beschränkt: Auf den Kampf um das Dasein des Christentums in der Heimat. Jeden politischen Grund ließ ich beiseite, um dem üblen Beigeschmack aus dem Wege zu gehen: Politischer Katholizismus. Meine Sache ist ein furchtbares Dilemma für die Militärbehörde: Weil ich ankämpfe gegen das gegenwärtige Regime, das ihr, wie ich überall merke, selbst sehr unlieb ist, aber das sie nicht abschütteln können, wenigstens im Augenblick. Somit sah ich drei Lösungen voraus, die es geben könnte. Meine Thesis lautete: Ich leiste keinen Treueid auf das gegenwärtige Regime und auch keinen Wehrdienst, der mit dem Treueid eo ipso verbunden ist.

 

1. Lösung: Gott der Herr greift ein u. schafft eine völlig neue Lage: Durch Regierungswechsel. Doch der Deus ex machina ist hier nicht für einen Priester anzunehmen.

 

2. Lösung: Es würde meine Angelegenheit auf dem Gerichstwege überhaupt nicht behandelt, und wenn schon Gerichtsweg, dann Niederschlagung der Sache, od. eine höhere Persönlichkeit der Generalität würde die Verantwortung auf sich nehmen: Endergebnis: stille Freilassung (nicht Freispruch) meiner Person. Doch preußisch-protestantischer Militarismus und Bürokratismus hat dafür kein Verständnis u. ist noch zu stark durch die NSDAP gefesselt.

 

3. Lösung: Was am ehesten zu erwarten war: Feldurteil auf Todesstrafe mit Aberkennung der bürgerlichen Ehre u. der Wehrwürdigkeit.

 

III. Ziel meines Ringens

 

1. Ein lebendiger Protest gegen die antichristliche Macht des NS-Nationalbolschewismus. Das Christentum führt einen Zweifrontenkrieg in Deutschland: gegen den roten Bolschewismus des Auslandes und gegen den braunen Bolschewismus im Inland. So Dr. Dollfuß. Ich als Österreicher entschied mich für den braunen B. im Inland, u. überdies sehe ich darin die Gewähr für den Sieg über den roten B.

 

2. Ein lebendiger Protest gegen den preußischen Militarismus.

 

a) Bei der Hauptverhandlung sagte ich: "Ich schätze die deutsche Wehrmacht, weil sie eine Fülle von sittlich-religiös hochstehenden Persönlichkeiten besitzt, weil sie bislang kraftvoll die Heimat vor feindlichen Angriffen bewahrt hat, weil bei ihr am ehesten noch Recht u. Gerechtigkeit zu finden ist. Diese Gründe sind nicht nur Kompliment und Lob, sondern zugleich die Einschränkung meines programmatischen Satzes von Bad Kissingen."

 

b) Pius XII. erließ am 25.8.39 noch zum letzten Mal eine Aufforderung an die Regierungen zum friedlichen Verhandeln. Aber die NS-Regierung mit dem preußischen Militarismus entschied sich für den Krieg. Sie macht also die Rechnung ohne den Wirt! Wo Gewalt, Lug u. Trug allein das Feld beherrschen, da helfe ich als Priester nicht mit.

 

c) Es ist interessant, Soldaten wie Offiziere hier im kalten Norden zu hören: Sie wollen nichts wissen von der NSDAP, aber auch nichts vom Christentum. Es geht ihnen lediglich um einen gesicherten Lebensraum auf dieser Erde. Und das kann nur die Wehrmacht besorgen. Fortleben nach dem Tode, Dasein Gottes, Christus usw. das ist überholt oder kümmert sie nicht. "Man lebt in seinen Kindern fort, für die jetzt der Kampf geführt wird!" sagte mir einer. Ein anderer: "Nach dem Krieg muß die Machtstellung der beiden Konfessionen zurückgedrängt werden!" Ein dritter: "Ich könnte dann an einen Gott glauben, wenn er uns diesmal zum Siege verhilft. Denn ein Gott kann doch nicht Ungerechtigkeit und Bolschewismus siegen lassen!" (Politischer Gottesbegriff). Somit besteht keine blasse Ahnung mehr vom Verständnis für das Geheimnis des Kreuzes.

 

3. Ein lebendiges Bekenntnis für Christus! Man sagt den Soldaten: Das Höchste, was sie dem Vaterland schenken können, ist ihr Lebensopfer. Nun ist dies aber ohne Einsatz für Christus wertlos. Denn was nützt es, wenn der Mensch die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden leidet. Ohne Einstellung auf Christus ist also das Lebensopfer sinnlos. Ich glaube daher, daß mein Lebensangebot für Christus und die Heimat seine Sinnerfüllung findet, und zwar mehr, als wenn ich meiner österreichisch-schönstättischen Aufgabe untreu würde und den Treueid leisten würde. Wenn behauptet wird, es sei sinnlos, so leichtfertig sein Leben hinzuopfern, da ich viel als Sanitäter für die Kameraden tun könnte, so gebe ich die Antwort: Gott verlangt einmal von mir, diesen Weg zu gehen.

Einwand: Einzelunternehmungen haben doch keinen Zweck!

Antwort: Einzelunternehmen dürfen in Zukunft nicht mehr mit rein natürlichen Augen angesehen werden, sondern im Lichte des Glaubens. Wenn klar erkannter Gotteswille vorhanden, dann Ehrfurcht vor der Einzeltat, vor dem Einzelopfer! Überdies ist man im Zustand der Gnade: Christusträgerin, Träger des dreifaltigen Gottes! Bundeslade mit der Gnadenwolke! Man darf sich in gläubiger Schau betrachten als ein geordnetes Schlachtheer im Kleinen, was Maria im Großen ist, ein starker Turm, ein Kampfeszeichen, Licht- und Siegeszeichen im kleinen. Wichtig ist, daß man nicht alles bemißt nach dem äußeren Erfolg! (liberalistische und moderne Anschauung) Kl. hl. Theresia z.B. lebte im Verborgenen und wird nach ihrem Tode die große Missionarin! Es muß uns gelingen, antizipierende Lösungen zu schaffen, d.h. Samenkorn zu sein, aus dem später der Baum mit seinen Früchten hervorwächst.

 

In allem vorausgesetzt: Gottes Wille!

Es wird in der Zukunft beim modernen Massenmenschentum die Kirche Gottes noch viel mehr als bisher auf kraftvolle Persönlichkeiten sich stützen. Im übrigen ist es schon viel wert, wenn beim Lebensopfer der Symbolwert und die Werbekraft gesehen wird!!! Im übrigen kommen die Erneuerungsbewegungen meistens von unten her. Und dann muß der Glaube an den Segen Gottes alles beherrschen.

 

Es ist klar, daß eine solche Einstellung viele Gefahren zu überwinden hat. Was früher im katholischen Leben durch zu große Vermassung bei Ausschaltung der Einzelinitiative gefehlt wurde, das kann in Zukunft durch allzu starke Betonung der Einzelinitiative bei Ausschaltung der Gemeinschaft gefährdet werden. Trotz alledem gilt wohl für die Zukunft: Freiheit, soweit wie möglich, Bindung, soweit als nötig, darüber hinaus betonte, hochgradige Geistpflege. Freiwillige Disziplin in der Gemeinschaft gibt Geschlossenheit und Stoßkraft. Somit eine vollkommene Gemeinschaft auf Grund vollkommener Persönlichkeiten. Es muß der Akzent sich verlagern auf Ehrfurcht vor der Persönlichkeit. Es wird in Zukunft bei der Unmöglichmachung religiöser Gemeinschaften von öffentlicher Seite her umsomehr Gott, die lb. Gottesmutter die Führung der seelen übernehmen. - Endlich ist, gläubig gesehen, ein Einzelunternehmen, Einzelopfer immer eingebettet in die Gemeinschaft: Corpus Christi mysticum und Schönstattfamilie. Man steht nicht allein! Es wird mehr als früher, oft zum größten Kreuz der Vorgesetzten, das Geheimnis vom zwölfjährigen Knaben im Tempel eintreten, d.h. daß Gott einzelne ruft, ihnen eine persönliche Sendung anvertraut, die verbunden ist mit einem herrischen Entscheid für Christus! In allem: M.h.c.! MTA, Du wirst über Zeiten siegen, wir werden nicht untergehen!!!

 

Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, 26. Juli 1942

Lumina et consilia! (Eingebungen und Erkenntnisse)

 

1. Ich habe Angst vor diesem oder jenem Leiden, das mich treffen könnte.

 Antwort: Ich bekomme nur jenes Kreuz aufgeladen, das ich persönlich zu tragen im Stande bin. Denn Gott, der Herr ist treu und läßt niemanden über seine eigenen Kräfte versuchen! - Darum ständig ringen um Kindlichkeitsgeist = marianischer Vorsehungsglaube!

 

2. Gibt es Kennzeichen dafür, daß man trotzdem den Willen Gottes erfüllt, obgleich die Vorgesetzten einem den Ungehorsam vorhalten?

Antwort: Einmal darf keine innere Bitterkeit die Seele beschleichen. Zweitens muß die Seele angeregt werden, umsomehr für die Vorgesetzten zu beten,

drittens muß die Liebe zu Gott in diesem Herzensleid wachsen,

endlich muß der unmittelbare Gehorsam des Gewissens zu Gott gut begründet und erleuchtet sein. Daher ein seltener Fall. Das ist das Geheimnis vom 12jährigen Knaben im Tempel.

 

3. Todesangst!

Sie setzt nun in der Endphase meines Ringens ein. Sie ist einfach da, ob ich will oder nicht. Bald mit stärkerer, bald geringerer Heftigkeit. Sie ist ein seelisches Feuer, ein Sich-Winden und Drehen, Beklommenheit, Enge, ein Zusammengepreßtsein im Gehirn wie im Herzen (physiologisch). Darüber hinaus stellt sich das seelisch-gnadenhafte Ringen ein. Das Erkennen und Erleben der ganzen Vergänglichkeit irdischer Werte, der eigenen Armseligkeit und Hilflosigkeit wie Erbärmlichkeit. Gläubig gesehen ist es wohl ein ganz gewaltiges Hineingetrieben werden in die Arme Gottes, in die Allmacht und Barmherzigkeit Gottes. Die Ausschau nach Hilfe läßt mich nun erkennen, daß irdisch keine Stütze mehr vorhanden ist, - - es sei, daß ich mir selbst untreu würde im bisherigen Entschluß. MTA, bitte, bitte, laß dies nicht zu! Nur dann, wenn es wirklich zur größeren Ehre Gottes gereichen sollte, dann will ich nach meinen bisherigen Entscheidungen versagen.

Weil alle irdischen Hilfsstellen versiegelt sind, ist dieser Zustand eine Totalkapitulation all meiner eigenen Kräfte vor Gott, meinem Herrn.

Daß der Versucher hier auch seine Hand im Spiele hat, ist ganz klar. Diese starke Anwandlung zu Kleinmut, Freudlosigkeit, Gedrücktheit. Und gerade dieser Ansturm treibt umsomehr mich in die Arme der lb. MTA. Und der Gedanke an meine Sendung, an den richtigen Weg, an die Kraftquelle Gottes gibt wieder Kraft und festen Tritt.

"Den hochmütigen widersteht Gott, den Demütigen aber gibt er seine Gnade. Unterwerft Euch also Gott. Widersteht dem Teufel, so wird er von Euch fliehen!!! Naht Euch Gott, so wird er sich Euch nahen!!!" (Jak. 4.6) Und "Gott ist die Liebe!!!" (1. Joh. 4.16) Todesangst und Tod, wo ist dein Stachel? Alles, alles ist nur Liebe!!! d.h. Liebesband hin zur Urquelle der Liebe, zur Liebe selbst. Darin vollendet sich die Liebe Gottes bei uns, daß wir Zuversicht haben auf den Tag des Gerichtes, weil wir so sind in dieser Welt, wie er ist... (1. Jo. 4.17) Wahrlich, diese Christus-verbundenheit, Gottgehörigkeit, Gott-Christus-Förmigkeit gibt Zuversicht, Vertrauen, Geborgenheit, besonders in der schwersten Zeit: vor dem Tode!

 

Ob dieses folgende mein Sterbegebet sein darf?

 

Göttlicher Heiland im allerheiligsten Sakrament des Altares, im großen Geheimnis der Liebe: Laß mich zuerst Deine Frage beantworten: "Liebst Du mich?" - - -  Herr, Du weißt alles, Du weißt auch, daß ich Dich liebe. Denn mein ganzes Leben ist ja nur ein großer Erweis Deiner Erbarmungen, Deiner Liebe gewesen.

Meine Abstammung, Elternhaus, Kindheit, Jugenderziehung, Berufung, Priesterstand, Auserwählung zur PSM und damit Vorbereitung und Erschließung der Gnadenquelle von Sch., alle Bewahrungsgnaden, die in Überfülle in meinem Leben eingebaut waren, alle meine Dummheiten, erkannten und bereuten Fehler und Sünden, alle Enttäuschungen, körperliche und seelische Leiden, vor allem aber die Berufung zu diesem Letztentscheid, alles, alles ist Liebe.

 

"Nie kann ich, ew'ge Liebe, danken Dir genug,

es soll Dir danken jeder Atemzug,

es soll Dir danken jeder Herzensschlag

bis zu dem letzten Schlag am letzten Tag!

Es soll Dir danken jeglicher Gedanke,

nichts andres möcht ich sprechen als ich danke, danke!"

 

Liebe um Liebe!

 

Unendliche Liebe, laß mich Dich wiederlieben. Vor allem lieben in der jetzigen Endvorbereitung auf den Tod und in der Todesangst. Laß mich nur mehr um Dich kreisen, und schenke mir eine gewaltige Vermehrung der Liebe: zu Dir, dreifaltiger Gott, zur MTA, zu den Seelen! Laß mich erfüllt werden vom Geiste der Liebe! "Veni Sancte Spiritus!" Möge mein ganzes Ich verzehrt werden von Deiner "Liebe". Denn nur so wird mein Letzt- und Endstadium sinnerfüllt. Ich will Liebesflamme, hochlodernder Liebesbrand sein.

Nur so kann ich mich danach sehnen, aufgelöst zu werden und mich gleich einer Opferkerze zu verzehren als Liebesopfer zur unendlichen Verherrlichung Gottes, ob des geheimnisvollen Hineingezogenseins in das Kreuzesopfer, denn Christusliebe ist das Kreuz!

Endlich wird dann so und nur so mein PI wahr und wirklich: ein liebeglühender Sch.-Liebesapostel, der künden darf die Herrlichkeiten und Wunder der Gnade der MTA.

 

Mehr Liebe! Liebe! Liebe!!! Amen.

 

"Dem Hochmütigen widersteht Gott, den Demütigen aber gibt er seine Gnade. Unterwerft Euch also Gott. Widersteht dem Teufel, so wird er von Euch fliehen!!! Naht Euch Gott, so wird er sich Euch nahen!!! (Jak. 7.6) Und Gott ist die Liebe!!!

(1 Jo 4.6)"

Todesangst und Tod, wo ist dein Stachel?! Alles, alles ist nur Liebe!!! d.h. Liebesbund hin zur Urquelle der Liebe, zur Lichtschau. Darin vollendet sich die Liebe Gottes bei uns, daß wir Zuversicht haben auf den Tag des Gerichtes, weil wir so sind in dieser Welt, wie ER groß ist... (1 Jo 4.17).

Wahrlich, diese Christusverbundenheit,  - Gottgehörigkeit, = Christusfrömmigkeit gibt Zuversicht, Vertrauen, Geborgenheit, besonders in der schwersten Zeit vor dem Tode!

 

 

O Herr, leite mich

 

1. O leite mich mit Deinem Licht,

    ja, leite mich!

    Nacht ist's umher, die Heimat seh ich nicht,

    o leite mich!

    Ich bitte nicht, daß ich mög' ferne sehn,

    laß mich nur Schritt für Schritt gerade gehen!

 

2. Ich hab' nicht immer so zu Dir gefleht:

    Herr, leite mich!

    Ich liebte eigenen Weg, jetzt komm' ich spät,

    o leit Du mich!

    Ich liebte Stolz und war voll Sinnlichkeit,

    ach Herr, gedenke nicht vergangner Zeit!

 

3. Bisher hast Du gesegnet mich,

    wohlan, so leite mich

    auch ferner - bis die rauhe, dunkle Bahn

    einst lichtet sich.

    Dann stehn am Morgen Sel'ge vor mir da,

    die einst ich liebte und dann nimmer sah.

 

                                            (von Kardinal Newman)

 

 

Dieses Gebet-Gedicht habe ich in dem Gefängnis täglich gebetet, weil so trostreich!

 

Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, 27. Juli 1942

 Herz-Jesu-Freitag

 

Meine lb. leibliche Mutter und die lb. MTA laufen um die Wette, mir ihre Liebe zu bekunden. 11.30 Uhr Postpäckchen mit einem MTA-Bildchen von zu Hause! 1000-faches Vergelt's Gott, Mutter! -

Dann kommt mein priesterlicher Schutzengel (Anm: Gefängnispfarrer Heinrich Kreutzberg) und bringt liebe Grüße, reiche Gebetshilfe und Segen vom Kapellchen. - Nie kann ich, Heiland, dreimal wunderbare Mutter, danken Euch genug..., als ich die Frohbotschaft erfuhr von meiner endgültigen Heimkehr! Das Königinnenbild der MTA bei der Krönung 18.10.1939 mit der Unterschrift P.K. war eine große Freude, war dies doch ein geistiger Besuch bei mir in meiner Zelle...

15.8. Königin - Krönung im Himmel. Ich bin dabei! RTA!!!

 

So danke ich aus ganzem Herzen und aus ganzer Seele für die große Fügung, daß gerade mein priesterlicher Schutzengel letzte Woche zum Kapellchen reisen mußte. Mein Gebet begleitete ihn, besonders am Tage 4.8., wo er als mein Stellvertreter dort bei der MTA sich die Unterschrift holen sollte!!! Und alles war so schön gefügt.

Es sind dies die letzten Vorbereitungen der MTA gewesen für meine Heimholung.

 

"Himmlicher Vater, Dir opfere ich...

Heiligstes Herz Jesu, ich vertraue auf Dich.

Dein bin ich in und durch die MTA. Amen!"

 

Franz Reinisch, Tagebuch aus dem Gefängnis, 7. August 1942

Mit dem 7. August 1942 enden die Tagebuchauf-zeichnungen von Pater Franz Reinisch. Am 11. August wird er nach Brandenburg verlegt.

Er stirbt am 21. August 1942 um 5.03 Uhr unter dem Fallbeil.


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