Rezension

von Angela Marlier

Christian Feldmann

Menschen gegen den Hass: Porträts engagierter Juden und Christen

 

1. September 2017

Verlag: Topos plus Verlagsgemeinschaft, ISBN: 978-3-8367-0036-8,

215 Seiten, EUR 18.00

 

„Sieben Menschen gegen den Hass“ hat er bereits schon vor über zehn Jahren portraitiert. Nun nimmt der deutsche Journalist und Theologe Christian Feldmann mit seiner biografischen Neuerscheinung zusätzlich 21 weitere Persönlichkeiten ins Visier: „Engagierte Juden und Christen“ wie er sein im September 2017 im Topos-Verlag erschienenes Buch „Menschen gegen den Hass“ untertitelt.

Sie sind die Leuchttürme des Widerstands gegen die Nationalsozialisten: Edith Stein, Dietrich Bonhoeffer, Elie Wiesel, Maksymilian Kolbe oder Helmut James Graf von Moltke. Für Feldmann sind es „Zeugen gegen die Mitläufer-Mentalität“. So ist es nur konsequent, dass er sein erstes Portrait im Buch mit folgendem Zitat von Sophie Scholl einleitet: „Man muss etwas machen, um selbst keine Schuld zu haben“. Die wohl prominentesten Gesichter des Widerstandes gegen die Nazis sind die Studentin Sophie und ihr Bruder Hans Scholl, Mitglieder der „Weißen Rose“. Ihre mutmaßlich global bekannte Geschichte bildet den Auftakt nicht minder interessanter, bewegender und entschlossener Werdegänge im Nationalsozialismus. Der österreichische Pallottinerpater Franz Reinisch etwa war der einzige katholische Priester, der den Fahneneid auf Hitler verweigerte. Dafür wurde er auf dem Fallbeil hingerichtet. Oder Leo Baeck, er war der letzte Sprecher des deutschen Judentums und der letzte Rabbiner Berlins im Dritten Reich. Bewunderer nannten ihn ehrfürchtig „Kardinal“. Seine „wache Präsenz und Autorität“ beeindruckte. Und sein Mut: Trotz aller Warnungen vor den offensichtlich lebensbedrohenden Gefahren bleibt er in Deutschland und wird in das KZ Theresienstadt deportiert. Er überlebt und hilft vielen seiner Mithäftlinge in dieser dunklen Zeit, noch Leben in sich zu spüren, weil er sich in großer Nächstenliebe um sie kümmert und sie als  „rettender Engel“ tröstet an einem Ort, der für die Gefangenen buchstäblich die Hölle war. Im KZ Dachau ist Schönstatt-Gründer Joseph Kentenich ein Fixpunkt für die Verzweifelten. Er hört zu, teilt den Inhalt seiner Päckchen mit Mithäftlingen und verhindert, dank guter Verbindungen im Lager, in einigen Fällen die Vergasung bereits Todgeweihter. Er lässt sie von der Liste streichen. Der katholische Priester kann im April 1945 das KZ verlassen und sein Werk fortführen.

Feldmann unterfüttert seine Portraits mit relevanten historischen Bezügen, biografischen Eckdaten und interessanten Bonusinformationen. So wird beispielsweise deutlich, wie schwer es den Hinterbliebenen der Widerstandskämpfer im Dritten Reich gemacht wurde. Franziska, die Frau des wegen Wehrdienstverweigerung zum Tode verurteilten Landwirts Franz Jägerstätter, kämpfte jahrelang vergeblich um eine Pension. Ihr Mann sei kein Widerstandskämpfer gewesen, sondern ein „depressiver Sonderling“, wies man sie ab.

Der Autor legt Details offen, die ein dichteres Bild der von ihm ausgesuchten Persönlichkeiten zeichnen. Er hat ein Gespür für die verschiedenen Schichten der Menschen, die er in der Aufarbeitung ihrer Geschichten skizziert. Er schält sie für uns, nimmt Lage für Lage ab: Biografie, Umfeld, politische Bildung, charakterliche Stärken und Schwächen. Es scheint möglich, den Kern dieser außergewöhnlichen Persönlichkeiten zu erfassen.

Der Autor beleuchtet die Portraitierten mit Sympathie, aber durchaus kritisch. Der Leser spürt, dass er sich mit den beschriebenen Menschen und ihren Schicksalen auseinandersetzt, auf einer Gefühlsebene, die ein genaueres Hinsehen jedoch zulässt. Er beschränkt sich dennoch dabei auf das Wesentliche, erzählt klar und strukturiert.

Christian Feldmann hat sich in seiner Neuerscheinung mit insgesamt 29 Menschen beschäftigt, die „gegen den Hass“ im Nationalsozialismus auf vielfältige Weise aktiv wurden. Acht bereits portraitierte Persönlichkeiten aus seinem 2006 erschienen Buch „Sieben Menschen gegen Hass“ (Sophie und Hans Scholl werden offenbar als eine Einheit gezählt) schaffen es allesamt erneut auch in diese Sammlung beeindruckender Biografien im Dritten Reich. Zu Recht, denn die Geschichten dieser besonderen Menschen dürfen nicht vergessen werden. Sie waren unverzichtbare Zeugen im Kampf gegen den Hass.

 

 

Christian Feldmann, geb. 1950, studierte Theologie und Soziologie. Seine zahlreichen Biografien großer Christen und frommer Querköpfe sind mittlerweile in 13 Sprachen übersetzt (aus: www.toposplus.de).


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